Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 12, Nein: 3, Enthaltungen: 0, Befangen: 0

Beschluss:

Der Bauausschuss stimmt der Finanzierung der Mehrkosten für die Sanierung des Gebäudes „Haus der Musik“ in Erkelenz zu.


 


Der Kreistag hat in der Sitzung am 19.06.2019 (TOP 4) die Verwaltung beauftragt, den Sitz der Musikschule des Kreises Heinsberg vom Gebäude Schulring 38 in das Gebäude Aachener Straße („Altes Amtsgericht“) zu verlagern und hierfür die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen. Mit dieser Entscheidung über die Verlagerung der Kreismusikschule war zugleich die Genehmigung des Kaufvertrages zum Erwerb des Gebäudes an der Aachener Straße 49 verbunden.

 

Die Planung und Kostenschätzung des Architekturbüros Viethen in Höhe von 1.523.849,20 € für den Umbau und die Sanierung des „Alten Amtsgerichts“ zukünftig „Haus der Musik“ mit Anbau eines Foyers einschließlich Anbindung einer Aufzugsanlage und Anbau eines Schlagzeugraums wurde dem Bauausschuss sowie dem Ausschuss für Kultur, Partnerschaft und Tourismus in der gemeinsamen Sitzung  am 14.05.2019 (TOP 1) vorgestellt.  Wohlwissend, dass es sich um ein altes Gebäude handelt, welches nicht bis ins letzte Detail im Hinblick auf eine Sanierung zu beurteilen ist und das Gebäude noch nicht Eigentum des Kreises war, basierte die Kostenschätzung neben dem Architektenentwurf auf groben gutachterlichen Stellungnahmen insbesondere zum Schallschutz, zur Statik und Brandschutz. Des Weiteren wurden die wesentlichen denkmalschutzrechtlichen Fragen der unteren Denkmalbehörde geklärt. Zwischenzeitlich wurden aus dem Denkmalförderprogramm 2020 des Landes NRW mit Zuwendungsbescheid vom 01.07.2020 Fördermittel in Höhe von 23.400,00 € für die Sanierung des Gebäudes bewilligt. Da ein vorzeitiger Baubeginn förderschädlich war, konnte erst nach Bewilligung mit der baulichen Maßnahme begonnen werden.

 

Mittlerweile sind Planungsaufträge zur Erstellung einer Prüfstatik, einer Tragwerksplanung/ Wärmeschutznachweis, eines Brandschutzkonzepts, eine gutachterliche Deckenbalken Konstruktionsüberprüfung und ein Gutachten zur Bau- und Raumakustik sowie ein Bodengutachten erteilt und ausgeführt. Im Gebäude haben Rückbauarbeiten stattgefunden, d.h. die kompletten Abhangdecken und Bodenaufbauten wurden entfernt Gipskartonverkleidungen, Heizkörper, Türzargen, Fußböden und Tapeten wurden entfernt sowie asbest- und teerhaltiges Material entsorgt. Im Außenbereich wurde die vorhandene Garage abgebrochen, da an dieser Stelle der Schlagzeugraum errichtet werden soll. 

 

Auf der Basis der Baugenehmigung vom 16.09.2020, den zuvor geschilderten Rückbaumaßnahmen und bisher vorliegenden Erkenntnissen der beteiligten Fachingenieure und Gutachter kommt es in folgenden Bereichen zu Mehrkosten, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 19.06.2019 nicht bekannt sein konnten, da ein detaillierter vollumfänglicher Planungsstand zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich war. So hat sich nach Abriss des vorhandenen Garagengebäudes und Auswertung des Bodengutachtens herausgestellt, dass für die Errichtung des Schlagzeugraums eine Tiefgründung der Bodenplatte als Brunnengründung erforderlich ist, da der vorhandene Baugrund ansonsten nicht tragfähig ist. Dies bedingt Mehrkosten in Höhe von ca. 20.000 €. Durch den Rückbau der Fußbodenaufbauten im Erdgeschoss wurde eine lose verlegte Balkenlage auf den Kappen- und Betondecken vorgefunden, die aufgrund der nicht fachgerechten Ausführung nicht belassen werden kann. Im 1. Obergeschoss hat sich gezeigt, dass die Balkenlage erhebliche Schäden aufweist und in Teilbereichen verstärkt werden muss. Dies hat zur Folge, dass entgegen der ursprünglichen Planung in Teilbereichen kein herkömmlicher Estrich eingebaut werden kann, sondern oberhalb des Tonnengewölbes aus statischen Gründen ein Trockenestrich eingebaut werden muss mit Mehrkosten in Höhe von 26.000 €. In den Flurbereichen des Erd- und 1. Obergeschosses waren wider Erwarten etliche Wände in Leichtbauweise ausgeführt. Darüber hinaus hat sich herausgestellt, dass etliche Türen fachwerkliche Holzeinfassungen und Holzstürze aufweisen. Dies entspricht nicht den brandschutzrechtlichen Anforderungen. Eine fachgerechte Ausführung der Wände und Türzargen führt bei den Trockenbauarbeiten zu Mehrkosten in Höhe von rund 28.000 €.  Nach dem Rückbau der Decken und der Tapeten zeigen sich an einer Vielzahl der Fensterstürze und Brüstungen zahlreiche Risse. Dies führt bei den Malerarbeiten der Holzfenster und Türen zu Mehrkosten in Höhe von 12.000 €. Das Treppengeländer im denkmalgeschützten Treppenhaus muss den aktuellen Unfallverhütungsvorschriften angepasst werden. Dies führt bei den Schlosserarbeiten zu Mehrkosten in Höhe von 28.000 €. Trotz Anpassung der Standards bei den Elektroinstallationsarbeiten liegen die Mehrkosten bei diesem Gewerk bei rund 130.000 €. Diverse Einzelpunkte haben zu diesen Mehrkosten geführt. Hinzukommt eine Preissteigerungsrate des Baupreisindex in Höhe von 6,596 % = 105.000,00 € (Steigerung für die Zeit von Februar 2019 bis Februar 2021). Das Architekturbüro Viethen hat mit Schreiben vom 01.04.2021 darauf hingewiesen, dass mit drastischen Preissteigerungen bei Baumaterialien zu rechnen sei, da von den Handwerkern und dem Handel derzeit Preissteigerungen für Bewehrungsstahl, KG und HT-Rohren, Dämmstoffen und vor allen Dingen Holz in Höhe von 30 – 70% mitgeteilt werden. Die Ausschreibung der Rohbauarbeiten weist bereits Mehrkosten in Höhe von rund 40.000,00 € auf, die in der aktuellen Kostenberechnung enthalten sind.

 

Die ursprüngliche Kostenberechnung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung sah keinen Anstrich der Fassadenfläche vor. Die Fassade hat vor zwei Jahren einen deutlich besseren Eindruck gemacht, als sie sich heute darstellt. Die Fassade weist mittlerweile zahlreiche Risse auf. Da das Gebäude für die notwendigen Dachdeckerarbeiten ohnehin eingerüstet werden muss, ist zu entscheiden, ob ein Fassadenanstrich mit Kosten in Höhe von rund 48.000,00 € ausgeführt werden soll. Bei einer späteren Ausführung dieser Arbeiten ist zu bedenken, dass erneut Kosten für eine Gebäudeeinrüstung anfallen, die derzeit mit 15.500,00 € kalkuliert werden. Um die Kosten nicht noch weiter zu steigern, wird auf die Anbindung des Dach- und Kellergeschosses an die Aufzugsanlage verzichtet. Die Begutachtung des Statikers hat ergeben, dass das Dachgeschoss aufgrund mangelnder Verkehrslast nicht zu Lagerzwecken genutzt werden darf.

 

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass trotz vorgenommener Änderungen in der Bauausführung mit Mehrkosten in Höhe von 430.000,00 € zu rechnen sein wird. In dieser Berechnung ist der Fassadenanstrich bereits enthalten. Ein Verzicht führt zu einer Einsparung von rund 48.000,00 €. Die Mehrkosten sind für den Haushalt 2022 zusätzlich zu veranschlagen.

Vor Eintritt in die Beratungen zeigt  Allgemeiner Vertreter Schneider dem Ausschuss in seiner neuen Konstellation rückblickend die wesentlichen Aspekte auf, die seinerzeit dazu geführt haben, dass der Kreistag in der Sitzung am 19.06.2019 mit deutlicher Mehrheit beschlossen habe, den Sitz der Musikschule des Kreises Heinsberg in das Gebäude Aachener Straße 49 zu verlagern und hierfür die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen. Wesentlich sei die zentrale Lage des Gebäudes an der Aachener Straße, sie biete die einzige Möglichkeit die Musikschule innerstädtisch unterzubringen. Für einen Neubau stehe kein innerstädtisches Grundstück zur Verfügung. Auch für die Stadt Erkelenz als Hauptkostenträger im Rahmen der differenzierten Kreisumlage sei die zentrale Lage im Innenstadtbereich wichtig.  Die Verwaltung habe stets deutlich kommuniziert, dass es bei diesem historischen Gebäude (Baujahr 1884) nicht möglich sei, vorab alle Unwägbarkeiten einer Sanierung abzuschätzen. Alternativ habe die Verwaltung die Möglichkeit zur Errichtung eines Neubaus zur Entscheidung vorgelegt. Die Entwicklung im Hinblick auf die nicht unerheblich steigenden bautechnisch bedingten Mehrkosten gepaart mit erheblichen Baupreissteigerungen werde auch aus Sicht der Verwaltung nicht positiv gesehen.  Baupreissteigerungen hätte man auch bei der Errichtung eines Neubaus hinnehmen müssen. Im Hinblick auf die erheblichen Baupreissteigerungen habe die Verwaltung ein Schreiben der Bundesvereinigung Bauwirtschaft vom 04.05.2021 als Tischvorlage ausgelegt. Dieses Schreiben werde der Niederschrift als Anlage beigefügt. Auf Nachfrage unterstreicht Allgemeiner Vertreter Schneider, dass dies die erste bauliche Maßnahme sei, bei der es zu solch erheblichen Kostenmehrungen käme. Bei anderen Baumaßnahmen resultierten Kostenmehrungen ausschließlich auf zusätzlichen Anforderungen in der Bauausführung, die sich im späteren Verlauf   der Planungsphasen ergeben haben. Beispielhaft sei das Forum des Kreisgymnasiums genannt, mit der Aufstockung um eine Etage für einen zusätzlichen Klassentrakt.  Im Hinblick auf eine Kostenbeteiligung der Stadt Erkelenz erläutert Allgemeiner Vertreter Schneider, dass die Stadt Erkelenz als Hauptkostenträger im Rahmen der differenzierten Kreisumlage mit 48,3 % beteiligt sei und zusätzlich  einen jährlichen Betriebskostenzuschuss in Höhe von 20.000,00 € gewähre.

Im Anschluss erläutert Architekt Viethen im Einzelnen die Entwicklung der Kostensteigerungen. Er betont, dass allen Zahlen fundierte Angebote (Stand Februar/März 2021) zu Grunde lägen, so dass in bautechnischer Hinsicht keine neuen Erkenntnisse und somit auch keine weiteren Mehrkosten zu erwarten seien. Demgegenüber sei die weitere Entwicklung der erheblichen Preissteigerungen für das Baumaterial nicht abzusehen. Die derzeitige Kostenberechnung berücksichtige Preissteigerungen in Höhe von 10 %. Auf Nachfrage erläutert Architekt Viethen die Mehrkosten im Bereich der Elektroinstallationsarbeiten, die im Wesentlichen aus den Anforderungen des Kreises an die Gebäudeleittechnik und weiteren elektronischen Ausstattungen wie beispielsweise der Installation von flächendeckendem WLAN und dem Einbau von energiesparenden Leuchten resultieren. Dies sei dem nicht Architekturbüro zum Zeitpunkt der Aufstellung der ursprünglichen Kostenberechnung in 2019 nicht bekannt gewesen. Herr Gleichmann macht deutlich, dass die einheitlichen Anforderungen des Kreises an die Gebäudeleittechnik, die für alle kreiseigenen Liegenschaften gelten, dem heutigen technischen Standard entsprechen und die Erfahrung gezeigt habe, dass diese Ausstattung letztendlich die Energieverbräuche reduziere. Auf Nachfrage räumt Architekt Viethen eine fehlerhafte Kostenkalkulation bezüglich der Mehrkosten bei den Schlosserarbeiten für das Treppengeländer in Höhe von 28.000,00 € ein.

Die Ausschussmitglieder erörtern im Anschluss ausführlich die Sachlage. Es besteht Einvernehmen, weitere Mehrkosten unbedingt zu vermeiden. Gleichwohl sei die weitere Preisentwicklung für das benötigte Baumaterial derzeit nicht absehbar. Diese Mehrkosten wären auch bei der Realisierung eines Neubaus nicht zu vermeiden gewesen.

Ausschussmitglied Schreinemacher spricht sich aufgrund der aus seiner Sicht unkalkulierbaren Kosten auch im Hinblick auf die differenzierte Kreisumlage für einen Baustopp aus und regt die Realisierung eines Neubaus an. Er stelle fest, dass bereits jetzt Mehrkosten in Höhe von rund 30 % zu verzeichnen seien.

Ausschussmitglied Dahlmanns bestätigt, dass die Verwaltung stets transparent im Hinblick auf mögliche Unwägbarkeiten bei der Sanierung des historischen Gebäudes informiert habe. Er betrachte den Erwerb dieser historischen Immobilie vielmehr als Steigerung der heimatkundlichen Qualität. Er spricht sich für die Fraktion der CDU dafür aus, die Grundsatzentscheidung als fix zu betrachten und diese trotz der Kostensteigerungen nicht mehr in Frage zu stellen. Dieser Auffassung schließt sich Ausschussmitglied Dederichs für die Fraktion Grüne an.

Ausschussmitglied Spinrath betont, dass die Fraktion der SPD aufgrund der unkalkulierbaren Kostensituation bei der Sanierung dieses historischen Gebäudes gegen den Grundsatzbeschluss vom 19.06.2021 gestimmt habe. Das Volumen der in Rede stehenden Mehrkosten bestätige die Auffassung seiner Fraktion.  Die Diskussion habe aus seiner Sicht gezeigt, dass hinsichtlich der Kostenentwicklung keine Garantien ausgesprochen werden könnten. Daher werde seine Fraktion der Finanzierung der Mehrkosten nicht zustimmen.

Ausschussmitglied Baczyk fragt nach, ob der Einbau einer Lüftungsanlage vorgesehen sei. Herr Gleichmann legt dar, dass ein solcher Einbau technisch machbar sei, sich allerdings bei einem solch alten Gebäude nur sehr aufwendig und schwierig zu realisieren ließe. Zum Zeitpunkt der Planung der Sanierungsarbeiten in 2018 und 2019 habe man nicht vorhersehen können, dass es zu einer Corona-Pandemie käme und daher keine Lüftungsanlage vorgesehen. Er bemerkt, dass die Realisierung einer solchen Anlage zu einem Baustopp führe, da die bereits submittierten Rohbauarbeiten aufgrund notwendiger Durchbrüche erweitert und zusätzlich ein Fachplaner mit der Planung der Anlage beauftragt werden müsse. Sollte die Fraktion der Grünen die Prüfung des Einbaus einer Lüftungsanlage fordern, müsse dies im Wege eines Antrags an den Bauausschuss geschehen. Ausschussmitglied Dederichs bemerkt, dass seitens der Fraktion der Grünen nicht beabsichtigt sei, die Bauarbeiten zu verzögern. Man werde diese Frage innerhalb der Fraktion noch einmal beraten. Allgemeiner Vertreter Schneider bemerkt, dass im Falle eines Antrags kurzfristig eine weitere Sitzung des Bauausschusses eiberufen werden müsse.