Sitzung: 08.06.2021 Kreisausschuss
Beschluss: einstimmig beschlossen
Abstimmung: Ja: 12, Nein: 0, Enthaltungen: 4
Vorlage: 0122/2021
Beschlussvorschlag:
Die Verordnung zur Festsetzung von Beförderungsentgelten und Beförderungsbedingungen
im Gelegenheitsverkehr mit Taxen im Kreis Heinsberg (Taxentarif) wird in der
der Einladung zur Sitzung des Kreisausschusses beigefügten Fassung beschlossen
und tritt zum 01.08.2021 in Kraft.
Die derzeit gültige Verordnung zur Festsetzung von Beförderungsentgelten und Beförderungsbedingungen im Gelegenheitsverkehr mit Taxen wurde am 09.04.2019 beschlossen und gilt seit dem 01.06.2019.
Mit Schreiben vom 22.12.2020 hat die Fachvereinigung Personenverkehr Nordrhein Taxi-Mietwagen e. V. (kurz: Fachvereinigung) eine Änderung des aktuellen Taxentarifs beantragt. Hierzu hat sie zwei verschiedene Tarifvarianten eingereicht, die deutliche Erhöhungen von unterschiedlichen Tarifbestandteilen beinhalten. Während der erste Vorschlag eine enorme Steigerung des Grundpreises vorsieht, beinhaltet der zweite Vorschlag eine deutliche Anhebung des Kilometerpreises (siehe Darstellung auf Seite 2).
Der Antrag wird mit der stufenweisen Steigerung des Mindestlohns, aber auch mit weiteren Kostensteigerungen (z.B. Versicherungen, Fahrzeuganschaffung, Wartung und Reparaturen) sowie den zusätzlichen Hygieneaufwendungen aufgrund der Corona-Pandemie begründet.
Die Verwaltung hat zunächst alle Taxiunternehmer im Kreis Heinsberg befragt, ob tatsächlich eine Erhöhung gewünscht wird. Von den 16 befragten Unternehmen haben sich 13 zurückgemeldet. Davon haben sich 10 für eine Erhöhung ausgesprochen.
Des Weiteren hat sich die Verwaltung einen Überblick über die Tarife der Nachbarkommunen verschafft. Im Kreis Düren und in der Stadt Mönchengladbach lagen im Januar 2020 keine neuen Anträge auf Erhöhung der Taxentarife vor. Im Kreis Viersen, Rhein-Kreis-Neuss und der StädteRegion Aachen hat die Fachvereinigung Anträge in ähnlicher Höhe gestellt. Dabei wurden im Kreis Viersen und im Rhein-Kreis-Neuss ebenfalls die oben beschriebenen zwei Tarifvarianten eingereicht. Der Viersener Antrag ist nahezu identisch mit dem hier vorliegenden Antrag. Das liegt daran, dass sich der Kreis Heinsberg bei der letzten Tarifanpassung (2019) aufgrund der Empfehlung der erstellten Tarifanalyse von Linne + Krause am Viersener Tarif orientiert hat und seitdem einen fast identischen Tarif hat.
Gemäß § 51 Abs. 3 in Verbindung mit § 39 Abs. 2 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) hat die Genehmigungsbehörde die Beförderungsentgelte insbesondere daraufhin zu prüfen, ob sie unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmers, einer ausreichenden Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals und der notwendigen technischen Entwicklung angemessen sind.
Somit sind die Tarife regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die Unternehmen bei den steigenden Kosten in der Lage sind, ihr Unternehmen wirtschaftlich und auch den Vorschriften entsprechend zu führen. Jedoch dürfen die Kosten für die Nutzung eines Taxis nicht in der Art steigen, dass es für die Fahrgäste nicht mehr bezahlbar wird und es somit an Attraktivität verliert. Hier muss eine maßvolle Anpassung vorgenommen werden, die beiden Interessengruppen gerecht wird.
Aus Sicht der Verwaltung ist dies bei der beantragten Erhöhung nicht der Fall. Sie hält eine derartige Erhöhung insbesondere im Hinblick auf die weiterhin andauernde Corona-Pandemie gegenüber den Fahrgästen für nicht vertretbar und befürchtet, dass sie zu weiteren Umsatzeinbußen führen könnte.
Darüber hinaus sind im aktuellen Tarif die Kostenentwicklungen bis 2020 berücksichtigt, d.h. auf die Steigerung des Mindestlohns auf 9,35 € sowie auf die steigenden Kosten durch die Einführung der Datenschutz-Grundverordnung wurde bereits bei der letzten Tariferhöhung reagiert.
Die Wiedereinführung der Zuschläge für die Beförderung von mehr als 4 Fahrgästen in einem Großraumtaxi sowie für die Beförderung von während der Fahrt im Rollstuhl sitzenden Personen hält die Verwaltung ebenfalls für nicht angebracht. Erst 2019 hat aufgrund der erstellten Tarifanalyse eine Umstrukturierung zu einem gesonderten Großraum- und Rollstuhltarif stattgefunden. Gründe dies wieder zu ändern, sind nicht ersichtlich.
Unter Abwägung der vorgenannten Ausführungen schlägt die Verwaltung vor, den Taxentarif wie folgt zu ändern:
|
aktueller
Tarif Kreis
Heinsberg |
Antrag
Fach- vereinigung 1.
Vorschlag |
Antrag
Fach- vereinigung 2.
Vorschlag |
Vorschlag
Kreis Heinsberg |
Erhöhung |
Tarifstufe
1: werktags 06.00-22.00; bis 4 Fahrgäste Grundpreis: Kilometerpreis: |
3,70 € 2,10 € |
5,70 € 2,40 € |
4,20 € 2,60 € |
4,20 € 2,40 € |
13,5 % 14,3 % |
Tarifstufe
2: werktags 22.00-06.00; sonn – u. feiertags; bis 4 Fahrgäste Grundpreis: Kilometerpreis: |
3,70 € 2,30 € |
5,70 € 2,60 € |
4,20 € 2,80 € |
4,20 € 2,60 € |
13,5 % 13,0 % |
Tarifstufe
3: werktags 06.00-22.00; 5-8 Fahrgäste; während der Fahrt im
Rollstuhl sitzende Personen Grundpreis: Kilometerpreis: |
4,70 € 2,30 € |
5,70 € 2,60 € 5,40 € Zuschlag |
4,20 € 2,80 € 5,40 € Zuschlag |
5,40 € 2,60 € |
14,9 % 13,0 % |
Tarifstufe
4: werktags 22.00-06.00; sonn-u. feiertags; 5-8 Fahrgäste; während der Fahrt im
Rollstuhl sitzende Personen Grundpreis: Kilometerpreis: |
4,70 € 2,60 € |
5,70 € 3,00 € 5,40 € Zuschlag |
4,20 € 3,20 € 5,40 € Zuschlag |
5,40 € 3,00 € |
14,9 % 15,4 % |
Wartezeit
je Std. |
35,00 € |
39,90 € |
39,90 € |
40,00 € |
14,3 % |
Diese Änderung entspricht im gesamten Durchschnitt einer Erhöhung um 14
%. Damit dürfte es sich um eine für beide Interessengruppen angemessene
Anpassung handeln.
Die Verwaltung geht davon aus, dass die mit der Corona-Pandemie
verbundenen und einkalkulierten Preissteigerungen bis spätestens Mitte nächsten
Jahres wieder entfallen werden, so dass mit oben aufgeführtem
Änderungsvorschlag auch die vorgesehenen Erhöhungen des Mindestlohns bis
einschließlich Juli 2022 größtenteils berücksichtigt sein dürften.
Der Entwurf der geänderten Verordnung zur Festsetzung von
Beförderungsentgelten und Beförderungsbedingungen im Gelegenheitsverkehr mit
Taxen im Kreis Heinsberg (Taxentarif) ist als Anlage der Einladung zur Sitzung
des Kreisausschusses beigefügt. Es wurden lediglich § 2 Abs. 2 und 3, § 8 sowie
die Anlage 1 der Verordnung geändert.
Gemäß
§ 51 Abs. 3 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 PBefG wurde der Industrie- und
Handelskammer (kurz: IHK), der Fachvereinigung und der Fachgewerkschaft Verdi
Gelegenheit zur Stellungnahme zur geplanten Änderung des Taxentarifs gegeben.
Die
IHK Aachen hat eine intensive Daten-Recherche betrieben und in Ihrer
Stellungnahme den Antrag somit ausführlich bewertet. Aufgrund der pandemischen
Lage und den damit verbundenen Beeinträchtigungen seien Vergleiche zum Jahr
2019 deutlich erschwert. Dennoch kommt sie in ihrer Gesamtbetrachtung zu dem
Ergebnis, dass eine Tarifanpassung im deutlich zweistelligen Prozentbereich
nicht der Entwicklung der allgemeinen Preisindizes entspricht.
Die
IHK hält die von der Verwaltung vorgeschlagene Anpassung für sinnvoll und
zunächst angemessen, damit das Taxigewerbe in Zeiten der Pandemie nicht in
Schieflage gerät. Sie ist ebenfalls der Meinung, dass eine wie beantragt
deutlich höhere Erhöhung aufgrund der Preiselastizität der Nachfrage momentan
zu noch weniger Fahrten und damit zu weiteren Umsatzrückgängen führen könnte.
Die Fachvereinigung hat nach Rücksprache mit ihren Delegierten der beabsichtigten Änderung zugestimmt.
Seitens der Fachgewerkschaft Verdi wurde keine Stellungnahme abgegeben.
Der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW – Betriebsstelle Eichamt Köln hat auf Nachfrage bestätigt, dass aus eichrechtlicher Sicht keine Einwände gegen die beabsichtigte Tarifänderung bestehen.
Die SPD-Fraktion führt in der Sitzung des Kreisausschusses aus, dass sie den Kompromissvorschlag der Verwaltung grundsätzlich gutheiße, sich aufgrund fehlender Zahlen zur Preissteigerung jedoch enthalten werde. Landrat Pusch sichert zu, den Antrag der Fachvereinigung zwecks Erhöhung der Plausibilität nachzuliefern.