Beschluss: keine Beschlussfassung

Es wird auf den als Anlage der Einladung zur Sitzung des Kreistages beigefügten Antrag der AfD-Fraktion gem. § 5 GeschO betr. „Übertragung der Kreistagssitzungen durch direktes sowie abrufbares Video-/Audio-Streaming“ vom 05.06.2021 verwiesen.

 

Landrat Pusch führt folgendermaßen aus:

„Der Kreis Mettmann hat kürzlich bei allen Kreisen in NRW eine Abfrage zum Thema Streaming von Kreistagssitzungen durchgeführt. Bei allen Kreisen, die sich zurückgemeldet haben (23 von 29 Kreisen), wird derzeit kein Streaming von Sitzungen angeboten. 

 

Auf dieser Grundlage und den damit verbundenen fehlenden Erfahrungswerten können auf Kreisebene keine Angaben zu anfallenden Kosten, Anzahl der Aufrufe des Live-Streams, Speicherung des Live-Streams, Anzahl der Aufrufe des gespeicherten Live-Streams oder der allgemeinen Zufriedenheit mit dem Streaming von Gremiensitzungen gemacht werden.

 

Als Orientierungspunkt für das Streaming von Gremiensitzungen kann jedoch die Stadt Mönchengladbach herangezogen werden, die bereits seit mehreren Jahren „Rats-TV“ anbietet und bezüglich der Einwohnerzahl mit dem Kreis Heinsberg vergleichbar ist.

 

Nach Mitteilung der Stadt Mönchengladbach verfolgen weniger als 0,1 % der Bevölkerung die gestreamten Ratssitzungen bzw. einzelne TOPs dieser Sitzungen, mithin also ca. 200 – 250 Personen. Darunter seien zu einem großen Teil auch Bedienstete der Stadt Mönchengladbach. Ob diese Reichweite bei Sitzungen der Kreistage überhaupt zu erreichen ist, ist darüber hinaus fraglich, da die Stadt- bzw. Gemeinderäte mehr Entscheidungsmöglichkeiten für die unmittelbaren Belange vor Ort haben und Themen auf Gemeindeebene für die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich eine höhere Relevanz haben, bspw. die Erschließung eines Neubaugebietes.

Der Auftrag für das Streaming bei der Stadt Mönchengladbach wurde extern vergeben, d. h. eine Firma führt den Videodreh, das Streaming und die mit der Speicherung des Videos verbundenen Arbeiten durch. Das Video ist auf der Homepage der Stadt Mönchengladbach – wie auch von der AfD-Fraktion beantragt – drei Monate lang abrufbar. Die Kosten für die Dreharbeiten der i. d. R. sechs Mal jährlich stattfindenden Ratssitzungen liegen im unteren fünfstelligen Bereich.

 

Hinsichtlich der Übertragung von Sitzungen existieren in NRW keine rechtlichen Vorschriften, insbesondere trifft die KrO NRW hierzu keine Regelungen. Die Sitzungen des Kreistages sind nach § 33 Abs. 2 KrO öffentlich; dies schließt ein Streaming nicht aus.

 

Die Geschäftsordnung für den Kreistag des Kreises Heinsberg schreibt in § 13 Abs. 10 vor, dass Film- und Tonaufnahmen nur mit Genehmigung des Kreistages gemacht werden dürfen. Über die Verwendung zu anderen als zu Zwecken der Niederschrift beschließt ebenfalls der Kreistag. Es würde sich empfehlen, diese Regelung bei einem Beschluss zur Einführung des Streamings in der Geschäftsordnung zu modifizieren.

 

Des Weiteren gibt es insbesondere datenschutzrechtliche Voraussetzungen. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten bedarf einer datenschutzrechtlichen Rechtfertigung, wofür nach Art. 6 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung nur die vorherige Einwilligung in Betracht kommt. Im Ergebnis wäre eine solche Übertragung von Sitzungen nur sinnvoll und in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis durchführbar, wenn zuvor alle Kreistagsmitglieder und die anwesenden Vertreter der Verwaltung dem Streaming und der befristeten Speicherung der Daten ausdrücklich zugestimmt haben. Sollten einzelne Kreistagsmitglieder nicht zustimmen, müsste bei deren Redebeiträgen die Aufnahme gestoppt werden, die einzelnen Personen müssten unkenntlich gemacht werden, das Video müsste nachträglich zusammengeschnitten werden usw.

 

Der Städte- und Gemeindebund NRW weist in einer Mitteilung vom 23.11.2020 darauf hin, dass neben den Vorteilen von Live-Streaming-Angeboten oder Aufzeichnungen zu bedenken sei, dass die Ratsarbeit ein kommunales Ehrenamt darstelle. Die Ehrenamtlichen seien rhetorisch nicht genauso geschult und vorbereitet wie Berufspolitiker. Aus diesem Grund könnten bei den Gremienmitgliedern Hemmungen entstehen und die Mitarbeit in der Kommunalpolitik unattraktiver werden. Wegen dieser allgemeinen Bedenken hätten sich die kommunalen Spitzenverbände stets gegen eine verbindliche Regelung in der GO NRW ausgesprochen.

 

Der Rat der Stadt Wassenberg hat in seiner Sitzung am 04.02.2021 beschlossen, die Rats- und Ausschusssitzungen ab dem 1. Juni 2021 zu übertragen, falls alle Gremienmitglieder bis zum 30.04.2021 ihre Zustimmung zur Live-Übertragung und Aufzeichnung der Sitzungen erklären. Da ein Großteil der Ratsmitglieder bislang jedoch noch nicht zugestimmt habe, ist dort aktuell noch nicht mit einem zeitnahen Beginn des Streamings zu rechnen. Zu eventuellen Erfahrungswerten der Stadt Wassenberg kann demnach nicht berichtet werden.“

 

Die AfD-Fraktion erläutert ihren Antrag und betont, dass die Corona-Pandemie das Kommunikationsverhalten der Bürger verändert habe. Durch digitales Streaming von Sitzungen könne man mehr Menschen erreichen und für die Kommunalpolitik interessieren.

 

Die CDU-Fraktion weist auf die datenschutzrechtlichen Grundlagen hin. Die Verwaltung solle zunächst von allen Kreistagsmitgliedern die Zustimmung zum Streaming und zur Speicherung der personenbezogenen Daten, die durch die Aufnahmen verarbeitet werden, einholen.

 

Auf das fragwürdige Kosten-Nutzen-Verhältnis weist die SPD-Fraktion hin. Da viele Diskussionen in den Fachausschüssen stattfänden, würde es keinen Sinn machen, nur die Kreistagssitzungen aufzunehmen. Wenn man sich für ein Streaming von Sitzungen entscheide, müssten auch die Fachausschüsse und der Kreisausschuss übertragen werden.

 

Landrat Pusch schlägt vor, dass die Verwaltung zunächst von allen Kreistagsmitgliedern und den sachkundigen Bürgern in den Fachausschüssen eine datenschutzrechtliche Einwilligung einholt. In der nächsten Kreistagssitzung werde zum Stand der Rückmeldungen berichtet.

 

Die antragstellende AfD-Fraktion und die übrigen Kreistagsmitglieder sind mit dieser Vorgehensweise einverstanden, sodass Landrat Pusch nicht über den Antrag abstimmen lässt.