Beschluss: zur Kenntnis genommen

Herr Ziemer, Leiter des Ordnungsamtes des Kreises, berichtet wie folgt:

 

Bei lebensbedrohlichen Notfällen (z. B. Herz-Kreislauf-Stillstand, Bewusstlosigkeit, etc.) ist eine sofortige Einleitung von lebensrettenden Maßnahmen entscheidend für das Überleben des Patienten. Jede Minute zählt. Auch wenn der Rettungsdienst im Rahmen seiner gesetzlichen Hilfsfristen im Regelfall schon nach wenigen Minuten den Notfallort erreicht, verstreicht bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes wertvolle Zeit für den Patienten therapiefrei, in der die Überlebenschancen von Minute zu Minute rapide abnehmen.

Seit Mitte 2017 ist der Zweckverband Region Aachen deshalb bestrebt, unter dem Label „Region Aachen Rettet“ eine Ersthelfer-App zur signifikanten Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung zu etablieren. Mit der Ersthelfer-App soll bei lebensbedrohlichen Notfällen mittels Smartphone schnell ein Ersthelfer an den Notfallort dirigiert werden, um noch vor dem Eintreffen des ersten Regelrettungsmittels des Rettungsdienstes (in der Regel nach 8 – 12 Minuten nach der Alarmierung) tätig zu werden und so die therapiefreie Zeit bis zum Eintreffen des Regelrettungsmittels zu verkürzen.

Die Grundidee der smartphone-basierten App besteht darin, dass ein Smartphone, das ein potenzieller Ersthelfer bei sich trägt, ständig und überall leicht durch die moderne Funktechnik zu orten ist. Bei Eintritt eines Notfalles an einem (geografisch) bestimmten Ort ist die App in der Lage, festzustellen, ob und welcher potenzielle Ersthelfer sich in (geografisch) nächster Nähe zum Notfallort aufhält. Dieser nahebei befindliche Ersthelfer wird dann über die App alarmiert und zum Einsatzort dirigiert. Dies geschieht aber nur, wenn der aktuelle Standort des Ersthelfers und sein zu erwartender Eintreffzeitpunkt auch tatsächlich einen zeitlichen Vorteil gegenüber dem Regelrettungsmittel erwarten lässt. Gleichzeitig soll ein weiterer Helfer den Auftrag erhalten, schnellstmöglich einen Automatischen Externen Defibrillator (AED) zum Zweck der Wiederbelebung an den Notfallort zu bringen. Dieser Zweithelfer wird zum nächstgelegenen Standort eines AED und anschließend an den Notfallort dirigiert. Zu diesen Zwecken müssen alle möglichen Ersthelfer (insbesondere deren Smartphones) sowie die Standorte aller einsetzbaren AED registriert werden.

Der Zweckverband hat dabei das Ziel verfolgt, flächendeckend in der Stadt Aachen, der StädteRegion Aachen und den Kreisen Düren, Euskirchen und Heinsberg ein einheitliches System zu etablieren, damit insbesondere beruflich pendelnde Ersthelfer auch in den Nachbarregionen alarmiert und tätig werden können.

Die ärztlichen Leitungen der beteiligten Rettungsdienste haben sich im Vorfeld darüber verständigt, welche Qualifikationen ein Ersthelfer vorweisen können muss, um als qualifizierter Ersthelfer zum System zugelassen zu werden.

In seiner Sitzung vom 05.06.2018 hat der Kreisausschuss die Verwaltung zunächst beauftragt, die Einführung einer Ersthelfer-Alarmierungs-App zu prüfen und die konkreten Anforderungen an ein gemeinschaftliches Alarmierungssystem sowie das entsprechende Organisationskonzept zu erarbeiten.

Nach Erledigung dieser Vorarbeiten hat der Kreisausschuss in seiner Sitzung vom 08.12.2018 beschlossen, sich der zwischen den beteiligten Gebietskörperschaften und dem Zweckverband Region Aachen abgesprochenen Verfahrensweise anzuschließen, die App über den Zweckverband ausschreiben und beschaffen zu lassen und das Ergebnis des geführten Vergabeverfahrens für den Kreis Heinsberg zu akzeptieren und zu übernehmen.

Die sich daran anschließende Beschaffungs- und Implementierungsphase war mit umfangreichen und oftmals sehr komplexen Problemen datenschutz- oder versicherungsrechtlicher Natur behaftet, so dass sich der Starttermin für den Einsatz der App bedauerlicherweise immer wieder verzögert hat. So musste beispielsweise in datenschutzrechtlicher Hinsicht gewährleistet werden, dass aus den permanent verfügbaren georeferenzierten Standortdaten der Smartphones der registrierten Helfer nicht in unzulässiger Weise ein Bewegungsprofil des Smartphone-Trägers generiert werden kann. Auch die technische Anbindung der App an die bestehenden Einsatzleitsysteme der Leitstellen war komplizierter als zunächst erwartet. Die seit dem Februar 2020 bestehenden Beschränkungen durch die Coronapandemie und die hierdurch hervorgerufene Mehrbelastung insbesondere der Leitstellen haben ihren Teil zur zeitlichen Verzögerung beigetragen.

Parallel zur Beschaffung und Implementierung der Ersthelfer-App in die Einsatzleitsysteme der beteiligten einheitlichen Leitstellen für Feuerschutz und Rettungsdienst ist schon damit begonnen worden, interessierte Personen als Ersthelfer zu rekrutieren und zu registrieren. Da die Möglichkeiten, interessierte Personen ohne die notwendigen Qualifikationen durch eigene Aus- und Fortbildungsangebote zu qualifizieren, nicht bei allen Gebietskörperschaften in gleichem Maße gegeben sind, haben sich die ärztlichen Leitungen der betroffenen Rettungsdienste darauf verständigt, in einem ersten Schritt nur Personen mit einem bereits vorhandenen medizinischen Basiswissen (wie z.B. Ärzte, medizinisches Hilfspersonal, Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, etc.) als Ersthelfer zuzulassen. In einem zweiten Schritt sind im Kreis Heinsberg gezielt die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren angesprochen worden, um die in diesem Personenkreis oftmals vorhandenen Ersthelferkompetenzen zu nutzen.

Die Beschaffung und Implementierung der Software sowie die Rekrutierung von Helfern waren zu Beginn des Jahres 2021 so weit gediehen, dass seit dem 11.02.2021 (Internationaler Tag des Notrufes 112) ein Einsatz der App unter realen Bedingungen bei allen angeschlossenen Gebietskörperschaften erfolgt. Die offizielle und medienwirksame Inbetriebnahme der App am 11.02.2021 ist leider auch den pandemiebedingten Beschränkungen zum Opfer gefallen.

Die Verträge für den Einsatz der App sind zunächst für eine Laufzeit von 4 Jahren angelegt. Die entstehenden Kosten werden nach einem zwischen allen beteiligten Gebietskörperschaften ausgehandelten Schlüssel auf die Projektpartner, die die App nutzen, verteilt. Auf den Kreis Heinsberg entfällt dabei ein jährlicher Anteil von brutto 36.482 €.

Inzwischen liegen erste Ergebnisse und Praxiserfahrungen mit der App vor:

Zum Stichtag 31.03.2021 waren beim Kreis Heinsberg 360 qualifizierte Ersthelfer registriert. Im zweiten Quartal hat sich diese Zahl um weitere 85 Ersthelfer erhöht, so dass mit Stand vom 30.06.2021 im Kreis Heinsberg auf einen Pool von 445 Ersthelfern aus der eigenen Bevölkerung zurückgegriffen werden kann.

Von der Inbetriebnahme am 11.02.2021 an sind bis zum Stichtag 31.03.2021 in 20 Notfällen Ersthelfer alarmiert worden. In 5 Fällen davon sind Ersthelfer am Notfallort tätig geworden. Im zweiten Quartal sind im Kreis Heinsberg bei 41 Notfällen Ersthelfer alarmiert worden. Davon waren schon in 23 Fällen Ersthelfer am Notfallort tätig.

Bei den 5 Hilfeleistungen im ersten Quartal ist es in einem Fall gelungen, den Notfallpatienten bis zum Eintreffen des Regelrettungsmittels am Leben zu halten. Im zweiten Quartal waren es bereits 7 Fälle, in denen das Leben der Notfallpatienten bis zum Eintreffen des Regelrettungsmittels durch Ersthelfer erhalten werden konnte.

Bei insgesamt 16 Hilfeleistungen waren die alarmierten Ersthelfer deutlich eher als das erste Regelrettungsmittel vor Ort beim Patienten. Der Zeitvorteil lag in diesen Fällen im Durchschnitt bei 4 Minuten und 34 Sekunden.

Nachdem in der derzeitigen Erprobungsphase anfängliche Fehler und Probleme beseitigt werden konnten, soll das Projekt nunmehr am 22.09.2021 in einer Pressekonferenz einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und bekannt gemacht werden. Die Pressekonferenz soll unter der Federführung des Zweckverbandes „Region Aachen“ von allen Projektpartnern gemeinsam bei der „Rettungsdienst Kreis Düren AöR“ im Feuerschutztechnischen Zentrum des Kreises Düren in Kreuzau-Stockheim veranstaltet werden.