Beschluss: zur Kenntnis genommen

Es wird auf die als Anlage der Einladung zur Sitzung des Kreistages beigefügte Anfrage der SPD-Fraktion vom 31.08.2021 zum Katastrophenschutz und zur Hochwassersituation verwiesen.

 

Landrat Pusch erklärt folgendermaßen:

 

Frage 1.: Wie ist die technische und räumliche Ausstattung bei den im Katastrophenschutz tätigen Organisationen? Gibt es einen regelmäßigen Austausch zwischen den Verbänden/Organisationen und der Verwaltung?

 

Antwort: Für den Brandschutz und die Hilfeleistung unterhalten die Städte und Gemeinden den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehren als gemeindliche Einrichtungen. Sie stellen Brandschutzbedarfspläne, die mit dem Kreis abzustimmen sind, auf und schreiben diese regelmäßig fort. In dieser Bedarfsplanung sind auch die Schnittstellen zu Großeinsatzlagen und Katastrophen zu betrachten und zu regeln. Die Gemeinden sind im Katastrophenschutz und bei der Umsetzung der Vorgaben zur landesweiten Hilfe unter Federführung des Kreises zur Mitwirkung verpflichtet und gemeinsam mit dem Kreis für die Warnung der Bevölkerung verantwortlich.

 

Im Rahmen seiner Pflichtaufgaben trifft der Kreis Heinsberg die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Bekämpfung von Großeinsatzlagen und Katastrophen. Der Austausch mit allen kreisangehörigen Städten und Gemeinden, Feuerwehren, Hilfsorganisationen, Einrichtungen, Firmen und sonstigen Bedarfsträgern erfolgt ständig in Form von Dienstbesprechungen, im automatisierten Austausch, im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren, Übungen usw.

 

Als Einrichtungen werden auf der Ebene des Kreises der Krisenstab (Verwaltungsstab) und der Stab Einsatzleitung (operativer Stab) vorgehalten. Die Dienstaufnahme dieser Einrichtungen ist abhängig vom Lagebild und von der Leistungsfähigkeit der vorgeschalteten Führungsorganisation der Städte und Gemeinden, die zusammen mit der Leitstelle des Kreises Heinsberg (§28 BHKG) die Gefahrenabwehrmaßnahmen zunächst leiten und organisieren. Die Kreise und kreisangehörige Gemeinden stimmen ihre Gefahrenabwehrmaßnahmen ab. Um diese Aufgaben wahrzunehmen, können die kreisangehörigen Gemeinden Stäbe für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) bilden.

 

Neben den kommunalen Einrichtungen und Einheiten wirken diverse anerkannte Hilfsorganisationen wie das DRK, der Malteser Hilfsdienst, die Johanniter Unfallhilfe die DLRG und die Bundeanstalt „Technisches Hilfswerk“ (THW) im Katastrophenschutz mit.

 

Die räumliche und technische Ausstattung ist bei allen Bedarfsträgern vorhanden. Der Standard dieser Ausstattung wird vom jeweiligen Bedarfsträger in Eigenverantwortung bestimmt und vorgehalten. Einsatzpläne und Einsatzstandards sowie organisationsübergreifende Vorgaben aus den Landeskonzepten prägen maßgeblich die notwendige vorzuhaltende Ausstattung. Bedarfsorientiert wird die Ausstattung für Großeinsatzlagen und Katastrophen stetig fortentwickelt. Die Bedarfe werden vor Ort bei den kreisangehörigen Gemeinden, bei den überörtlich zuständigen Einheiten vom Kreis oder den jeweiligen Hilfsorganisationen vorgehalten. Zwischen den am Geschehen Beteiligten finden regelmäßige Informationsaustausche statt.

 

Zur besseren Planbarkeit, zur Abbildung von Bedarfen, zur Entwicklung von Schutzkonzepten für die Zukunft und zur Optimierung von Schnittstellen zwischen den an der Gefahrenabwehr beteiligten Organisationen und Gremien erstellt der Kreis Heinsberg seit dem Frühjahr 2021 ein integriertes Feuerschutz- und Katastrophenschutzkonzept als Bedarfsplanung für den Kreis.        

 

 

Frage 2.: In welcher Form und Häufigkeit findet ein grenzüberschreitender Austausch mit den niederländischen Nachbarkommunen statt?

 

Antwort: Im Bereich der Veiligheidsregio Zuid-Limburg (Grenzkommunen im Kreis Heinsberg sind Selfkant, Gangelt, Geilenkirchen und Übach-Palenberg) besteht seit Jahren der EMRIC-Verbund (Euregio-Maas-Rhijn-Incidentenbestrijding en Crisisbeheersing). EMRIC ist ein einzigartiger Zusammenarbeitsverband von Behörden, die für die nicht-polizeiliche Gefahrenabwehr und den Brandschutz, die technische Hilfeleistung und den Rettungsdienst verantwortlich sind. Mitwirkende im Verbund sind die Feuerwehr der Stadt Aachen, das Amt für Bevölkerungsschutz der StädteRegion Aachen und das Ordnungsamt des Kreises Heinsberg in Deutschland, die Provinzen Limburg und Lüttich in Belgien sowie die Veiligheidsregio und der GGD Zuid-Limburg in den Niederlanden. Diese Organisationen finanzieren die Zusammenarbeit und das sogenannte EMRIC-Büro. Neben diesen sieben Partnern arbeiten noch gut 30 Dienste und Behörden mit dem EMRIC-Verband zusammen.

 

Die Zusammenarbeit wird in der Lenkungsgruppe EMRIC, drei Fokusgruppen und verschiedenen Arbeitsgruppen in der Regel in vierteljährlichen Zusammenkünften gestaltet. In diesen Gruppen sind nicht nur die festen EMRIC-Partner vertreten, sondern auch andere Organisationen, die Wissen, Expertise und Zuständigkeiten auf dem jeweiligen Fachgebiet besitzen. Die gesamte Zusammenarbeit wird vom EMRIC-Büro koordiniert.

 

Für den Bereich der Veiligheidsregio Limburg-Noord (Grenzkommunen im Kreis Heinsberg sind Selfkant, Waldfeucht, Heinsberg, Wassenberg und Wegberg) ist ein solcher Verbund bislang nicht zustande gekommen. Die Landesregierung NRW hat die Notwendigkeit grenzüberschreitender Zusammenarbeit erkannt und bei jeder Bezirksregierung zwei Vollzeitstellen zur Verbesserung grenzüberschreitender Zusammenarbeit geschaffen. Das Land beabsichtigt, nach dem Vorbild von EMRIC die deutsch-niederländische Zusammenarbeit entlang der gesamten nordrhein-westfälischen Grenze zu den Niederlanden zu intensivieren. Für das Land NRW ist deshalb derzeit das Projekt N4 (Netzwerk Niederlande und Nordrhein-Westfalen Nichtpolizeiliches Krisenmanagement) in Gründung. Die Auftaktveranstaltung zur Gründung wird am 16.09.2021 stattfinden.

 

Darüber hinaus tritt der Kreis Heinsberg zum 01.01.2022 der euregio rhein-maas-nord bei, die ihrerseits versucht, über die Neuauflage von Interreg-Programmen Fördergelder der Europäischen Union für Projekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (hier: Waldbrandprävention entlang der niederländisch-deutschen Grenze) zu generieren. Das Ordnungsamt des Kreises ist gemeinsam mit Vertretern des Feuerschutzzentrums an diesen Projekten beteiligt bzw. eingebunden.

 

 

Frage 3.: Welche Schlüsse zieht die Verwaltung aus der Hochwassersituation und welche Maßnahmen leitet sie daraus ab?

 

Antwort: Im Bereich der Einsatzleitung hat die Lage „Bernd“ gezeigt, dass das vor zwei Jahren eingeführte Flächenlagenkonzept des Kreises sich bewährt hat und greift. Bei Anwendung des Flächenlagenkonzeptes werden bei den kreisangehörigen Kommunen Feuerwehr-Einsatzzentralen (FEZ) und bei Bedarf - soweit vorhanden - die Stäbe für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) aktiviert. Die FEZ sind mit dem elektronischen Einsatzleitsystem des Kreises verbunden. Die einheitliche Leitstelle beschränkt sich bei Flächenlagen darauf, aus der Vielzahl der eingehenden Notrufe die zeitkritischen Notfälle herauszufiltern und notwendige Alarmierungen vorzunehmen, während alle nichtzeitkritischen Fälle an die FEZ weitergeleitet werden und deren Abarbeitung dann durch die FEZ mit den kommunalen Feuerwehren und Hilfskräften vor Ort erfolgt.

 

Im Rahmen der Gefahrenabwehrplanung und der Krisenbewältigung sind der Kreis Heinsberg und seine Kommunen mit dieser Konzeption für die Hochwasser- und Starkregenereignisse gut aufgestellt.

 

Die Lage „Bernd“ hat zugleich aufgezeigt, dass es Verbesserungspotentiale gibt. Z. B. kann die Befüllung und Verteilung in sehr großer Zahl benötigter Sandsäcke optimiert werden. Der Kreis wird zur Vorbereitung auf zukünftige Hochwasserereignisse in Abstimmung mit der Bundesanstalt THW eine automatisierte Sandsackbefüllung beschaffen und vorhalten sowie die Vorratshaltung leerer Sandsäcke erheblich ausweiten. Die Sandsackbefüllung soll die sehr arbeits- und zeitintensive manuelle Befüllung von Sandsäcken als Hochwasserschutz wesentlich erleichtern und rationalisieren.

 

 

Frage 4.: Warum wurde ein Neubaugebiet in Wassenberg-Ophoven in einem Hochwassergebiet genehmigt?

 

Antwort: Die Stadt Wassenberg besitzt nach dem Baugesetz die Planungshoheit und kann durch ein Planaufstellungsverfahren Wohngebiete entwickeln. Die Bauleitplanung unterliegt der Genehmigung durch die Bezirksregierung.

Die hochwasserrechtlichen Belange werden dabei von der jeweiligen Stadt berücksichtigt. Informationen über Überschwemmungsgebiete etc. liegen der Kommune vor.

 

Die Stadt Wassenberg weist darauf hin, dass das betroffene Gebiet zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplanes und des Satzungsbeschlusses im Dezember 1998 nicht als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen war.

 

Erstmals mit Überschwemmungsgebietsverordnung Rur der Bezirksregierung Köln vom 09.01.2012 wurde das Gebiet als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen. Im Jahr 2019 wurde eine Neuberechnung für Wassenberg-Ophoven durchgeführt. Hieraus ergab sich für ein HQ100-Ereignis (einhundertjähriges Ereignis) keine Betroffenheit des Gebietes in Ophoven.

 

 

Frage 5.: Welche Warninfrastruktur gibt es im Kreis? Wie viele Sirenen gibt es im Kreisgebiet? Wie viele sind funktionstüchtig? Gibt es Gespräche zwischen dem Kreis und den kreisangehörigen Kommunen bezüglich des Ausbaus Sirenennetzes?

 

Antwort: Im Kreis Heinsberg wird mit den gängigen Warnmöglichkeiten gewarnt. Dies sind im Einzelnen die Sirenenwarnung mittels ortsfester Sirenen (Motorsirene, Elektrosirene), der Elemente des modularen Warnsystems „MoWaS“ (Rundfunkdurchsagen, TV-Laufschrifteinblendungen, Pager und Warn-Apps) und Lautsprecherwarnungen (mobile Sirenen/Lautsprecher und Lautsprecherfahrzeuge).

 

In der Hochwasserlage „Bernd“ ist von einer Kommune bekannt, dass Mitarbeitende des Ordnungsamtes von Haustür zu Haustür gegangen sind, um die Bewohner/innen vor der Gefahr persönlich zu warnen.

 

Derzeit sind 121 ortsfeste Sirenenanlagen über den Kreis verteilt im Einsatz. Der überwiegende Teil der Kreisbevölkerung ist über die ortsfesten Sirenenanlagen ansprechbar.

 

Die Sirenen werden über eine digitale Alarmierungsinfrastruktur durch die Leitstelle des Kreises angesteuert. Die Auslösung erfolgt gezielt nach Warnbereichen (Ortsteil, Kommune, Kreisgebiet). Die Steuerung der Elemente des MoWaS erfolgt ebenfalls zentral über die Leitstelle. Der Einsatz von Lautsprecherwarnungen erfolgt durch den Stab Einsatzleitung, den Krisenstab oder den SAE.

 

Der Ausbau und der Erhalt der Sirenennetze wird durch den Kreis (Alarmierungsnetze) und die Gemeinden (Sirenenstandorte) stetig verbessert. In Kürze werden als Folge des Juli-Hochwassers weitere Bundesmittel zur Förderung der Infrastruktur, zweckgebunden für den Ausbau der Netze und Sirenenstandorte, zur Verfügung stehen und können abgerufen werden.

 

 

Frage 6.: Wann wurden die Kommunen des Kreises über die Gefahrenlage durch das Hochwasser informiert?

 

Antwort: Unmittelbar bei Eingang einer Warnmeldung (Unwetterwarnung des DWD, Hochwasserwarnung) bei der einheitlichen Leitstelle für Feuerschutz und Rettungsdienst des Kreises Heinsberg in Erkelenz wird die eingehende Warnmeldung an den A-Dienst der Freiwilligen Feuerwehren der kreisangehörigen Städte und Gemeinden (im Regelfall die Leitung der Feuerwehr) und parallel hierzu an die Bürgermeister der Kommunen weitergeleitet.

 

Die ersten Warnmeldungen des DWD datieren vom 12.07.2021 und sind in der beschriebenen Weise an die Kommunen weitergereicht worden.

 

 

Frage 7.: Warum wurde kein Krisenstab beim Kreis aktiviert?

 

Antwort: Die Dienstaufnahme des Krisenstabes auf Kreisebene ist abhängig vom Lagebild und von der Leistungsfähigkeit der vorgeschalteten Führungsorganisation der Städte und Gemeinden, die zusammen mit der einheitlichen Leitstelle des Kreises Heinsberg die Gefahrenabwehrmaßnahmen zunächst leiten und organisieren. Der Kreis und die kreisangehörigen Gemeinden stimmen ihre Gefahrenabwehrmaßnahmen ab.

 

Im operativen Lagezentrum in Erkelenz wurde die Einsatzlage ständig beobachtet und bewertet. Die Einsatzlagen in den betroffenen Kommunen entlang der Flüsse Wurm und Rur waren sehr unterschiedlich ausgeprägt, gleichwohl aber von den eingesetzten Kräften der kommunalen Feuerwehren und dem Personal der Kommunen (Bauhöfe, Ordnungsämter, etc.) zu beherrschen, sodass die Notwendigkeit zur Bildung eines Krisenstabes zur Einsatzkoordination und zur Übernahme der Einsatzleitung auf Kreisebene zu keinem Zeitpunkt gegeben war.

 

Gleichwohl ist bei der einheitlichen Leitstelle – als Dienstleistung für die Kommunen - ein kleines Team zur Deckung übergemeindlicher Koordinierungs- und Abstimmungsbedarfe gebildet worden, das die Arbeiten der FEZ koordiniert und begleitet hat.

 

 

Frage 8.: Warum wurden die Öffentlichkeit und die Politik nicht in einem offiziellen Sachstandsbericht informiert?

 

Antwort: Die Politik und die Öffentlichkeit sind in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Klima, Verkehr und Strukturwandel am 24. August 2021 über erste Erkenntnisse und Ergeb-nisse des Geschehens von Mitte Juli informiert worden. Eine abschließende Einsatznachbereitung mit allen beteiligten Kommunen und Organisationen (über die Feuerwehren hinaus) steht noch aus. Insofern kann noch kein umfassender Sachstandsbericht erfolgen.

 

 

Frage 9.: Wie viele Menschen wurden in Notunterkünften untergebracht? Wie viele Menschen im Kreis sind insgesamt vom Hochwasser betroffen?

 

Antwort: Die genauen Zahlen müssten bei den jeweils betroffenen Städten und Gemeinden erfragt werden. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass betroffene Personen von den Kommunen teilweise in Hotels und Pensionen (statt in Notunterkünften) vorübergehend untergebracht worden sind. Kumulierte und belastbare Zahlen liegen dem Kreis bislang nicht vor.

 

 

Frage 10.: Wie macht der Kreis Betroffene auf Hilfsangebote aufmerksam? Warum wird auf der Homepage des Kreises – anders als in anderen betroffenen Kreisen – nicht umfassend auf

Hilfsangebote hingewiesen?

 

Antwort: Landrat Pusch hat in mehreren Videos sowie in Pressemitteilungen auf den Hilfsfonds von HS – ein Kreis hilft e. V. hingewiesen. Die eingegangenen Spendengelder wurden an die betroffenen Kommunen weitergeleitet, die die Mittel unbürokratisch und zielgerichtet an Betroffene aus ihrem Gebiet ausgezahlt haben. Der Kreis stand hierbei in engem Austausch mit den Kommunen, die die Bürger/innen ebenfalls über das Hilfsangebot informiert haben.

 

Das Land NRW hat darüber hinaus Fördermittel in Höhe von 200 Millionen Euro bereitgestellt. Betroffene konnten hierzu einen Antrag auf Soforthilfe auf der Internetseite des Landes NRW herunterladen, ausfüllen und bei der zuständigen Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung einreichen.

 

Ratsuchende, die sich bspw. telefonisch oder per E-Mail an die Kreisverwaltung gewendet haben, wurden selbstverständlich auf die Hilfsmöglichkeiten aufmerksam gemacht.“