Ausschussvorsitzender Reyans schlägt vor, die Antwort auf die der Einladung beigefügten Anfrage nicht in der Sitzung zu verlesen, sondern der Niederschrift beizufügen. Dem folgt der Ausschuss einvernehmlich.

Die Antwort der Verwaltung lautet wie folgt:

Zu Vorlage Nr. 0459/2014: Anfrage der CDU-Fraktion zur Entwicklung der Grundsicherung im Alter im Kreis Heinsberg

 

Wie kann der Altersarmut im Kreis Heinsberg im Rahmen der Quartiersentwicklung noch wirksamer begegnet werden?

Landläufig wird Armut als eine Unterausstattung mit ökonomischen Mitteln verstanden.  Insofern ist es verständlich, dass sich der Fokus der öffentlichen Diskussion primär auf diesen Aspekt ausgerichtet hat (z. B. Rentenniveau im Kreis Heinsberg, Steigerung der Leistungsbezieher von Grundsicherungsleistungen im Alter).

Abgestellt wird hierbei in erster Linie auf den Ressourcenansatz, der vor allem auf die Ausstattung mit bzw. Verfügung über Einkommen abzielt.  Dieser Ansatz ist aber nicht unproblematisch, da der Handlungsspielraum eines Haushalts nicht nur durch die Ressource Einkommen, sondern auch durch weitere Ressourcen wie Vermögen(z.B. Wohneigentum), schulische und berufliche Qualifikation (Humankapital), soziale Einbindung (Sozialkapital) und Verfügung über Zeit bestimmt wird. So kann auch dann eine Notlage vorliegen, wenn das verfügbare Haushaltseinkommen die Armutsgrenze übersteigt, aber durch hohe Fixkosten  (z.B. Zins- und Tilgungsbelastungen) vorab gemindert wird, oder wenn die Mittel unwirtschaftlich eingesetzt oder unausgewogen unter den Haushaltsmitgliedern verteilt werden.  Anderseits kann in Notlagen ggf. auch auf vorhandenes Vermögen zurückgegriffen werden.

Armut im umfassenden Sinn ergibt sich als Ergebnis des Ressourceneinsatzes und als Ausdruck einer vorfindbaren Lebenslage. Eine an der Lebenslage orientierte Definition von Armut fragt danach, ob bei der Versorgung der Menschen mit Nahrung, Bekleidung, Wohnraum, Wohnungseinrichtung, Leistungen des Gesundheits- und Sozialwesens Mindeststandards erreicht werden. Ein solcher Lebenslagenansatz, der Armut direkt und nicht indirekt über den Ressourcenzufluss misst, muss darüber hinaus berücksichtigen, ob die Menschen ausreichend am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhaben können. Dies betrifft  Bereiche wie Arbeit, Bildung, Freizeitgestaltung, soziale Beziehungen und Information. Liegt Unterversorgung in gleich mehreren Lebensbereichen vor, besteht das Risiko, dass Armut zugleich mit sozialer Ausgrenzung verbunden ist.

Die Rolle kommunaler Sozialpolitik ist nach Auffassung der Verwaltung insofern nicht primär in der Funktion eines Ausfallbürgens mangelnder oder unzureichender vorgelagerter Sicherungssysteme zu sehen und ist keinesfalls gleichzusetzen mit der ausschließlichen Gewährung staatlicher Hilfen.

Im Vordergrund stehen vielmehr die Verbesserung der Teilhabechancen und die Chancengerechtigkeit der Einwohnerinnen und Einwohner.

Angebote für arbeitslose Jugendliche, die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der ambulanten Hilfen für Senioren, Förderung der Inklusion und Integration oder die alters- und altengerechte Gestaltung ganzer Quartiere sind in diesem Verständnis beispielsweise Aufgabenstellungen der Kommunen mit entscheidenden Auswirkungen auf die soziale Entwicklung im Kreisgebiet.

Voraussetzung für eine solchermaßen zielorientierte kommunale Sozialpolitik ist die umfängliche Analyse der bestehenden Lebenslagen. Die hierfür erforderliche Vorarbeit ist nur auf lokaler Ebene zu leisten. Auf der Grundlage des Beschlusses des Kreistages vom 16.05.2013 und in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit den kreisangehörigen Kommunen, wurden in den letzten Monaten für den Kreis 20 Sozialräume definiert und diese nochmals in insgesamt 59 Quartiere unterteilt. Hierdurch sind nunmehr Grundlagen geschaffen worden, um eine lebenslagenorientierte Sozialpolitik konzipieren und die Kommunen mit dafür wesentliche Sachinformationen ausstatten zu können.

Über das laufende Sozialmonitoring werden voraussichtlich wichtige Erkenntnisse zu Lebenslagen in kleinräumigen Strukturen generiert werden können, die für die Weiterentwicklung der kommunalen Sozialpolitik nutzbar zu machen sind. Hierüber können Beeinträchtigungen von immateriellen und materiellen Lebensbedingungen einzelner Gruppen und Quartiere erkannt werden. Auf deren Grundlage können Lösungskonzepte erstellt und Entwicklungsziele formuliert werden. Die Kenntnis der jeweiligen Lebenslagen erlaubt es, ganzheitliche Lösungsstrategien für soziale Problemgruppen und benachteiligte Quartiere aufzuzeigen und präventiv zu wirken.

Darüber hinaus wird hierdurch die Anschlussfähigkeit zum im Zweiten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung thematisierten Fähigkeiten-Ansatz ermöglicht, der Teilhabe- und Verwirklichungschancen in den Fokus nimmt.

Durch die Ergebnisse des Sozialmonitors – ggf. in Verbindung mit einer vertiefenden Studie - kann der eindimensionale Ansatz der Einkommensarmut um weitere Blickwinkel erweitert und damit weitere Auswirkungen von Armutsbetroffenheit erkennbar und damit auch gestaltbar gemacht werden.

Dabei ist es wichtig, dass die Ziele und Zielwerte von allen relevanten Akteuren in der Kommune gemeinsam definiert und die Leistungserbringung wirkungsorientiert gesteuert werden.  Angesichts der Unterschiedlichkeit der kreisangehörigen Kommunen und ihrer Quartiere, kann die Umsetzung nur örtlich angepasst und abgestimmt zum Erfolg führen. Voraussetzung ist aber auch die Bereitschaft aller, ihre Leistung den Bedarfen flexibel anzupassen. Starre zentrale Systeme scheitern bekanntermaßen an dieser Bedingung.

Es geht insofern zukünftig verstärkt um den Auf- bzw. Ausbau von tragfähigen Netzwerken im Sinne von Projektnetzwerken oder Produktionsnetzwerken, da die in einem Quartier tätigen autonomen Akteure hierarchisch nicht steuerbar sind.

In den hierfür zukünftig zu entwickelnden bzw. zu intensivierenden Netzwerken stehen aus sozialplanerischer Sicht die Steuerungsmedien

  • Kooperation,
  • Vertrauen,
  • Selbstverpflichtung der Akteure,
  • Verlässlichkeit,
  • Verhandlung

im Vordergrund der Zusammenarbeit der in der Armutsbekämpfung handelnden Akteure.