Beschluss: einstimmig beschlossen

Abstimmung: Ja: 51, Nein: 0, Enthaltungen: 0

Es wird auf den der Einladung zur Kreisausschusssitzung als Anlage beigefügten Bürgerantrag vom 13.01.2016 verwiesen.

 

In der Sitzung des Kreisausschusses zog Landrat Pusch ein rechtliches Resümee, bevor er über den Beschlussvorschlag abstimmen ließ. Die nachstehende Ausarbeitung des Veterinäramtes hierzu ist sowohl der Niederschrift zur Sitzung des Kreisausschusses als auch der Einladung zur Sitzung des Kreistages beigefügt.

 

„Frau Maria Theissen, Mittelstraße 2, 52525 Heinsberg-Oberbruch, beantragt am 13. Januar 2016 per E-Mail beim Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt, zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung von Hauskatzen den Erlass einer Katzenschutzverordnung, mit der eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für Freigängerkatzen verbindlich eingeführt wird. Der Antrag wird damit begründet, dass langfristig nur eine solche Katzenschutzverordnung den ständigen Zustrom unkastrierter, später verwilderter und nur in lockerer Verbindung zum Menschen lebenden Katzen wirksam vermindern kann. Die Antragstellerin unterbreitet mit Ihrem Antrag zugleich einen Textvorschlag für die beantragte ordnungsbehördliche Regelung.

 

Seit einigen Jahren stellen die Ordnungsbehörden, die Veterinärbehörden, Tierschutzvereinigungen und im Tierschutz aktive Mitbürger übereinstimmend - wenn auch regional sehr unterschiedlich stark ausgeprägt - fest, dass die Zahl wild und frei lebender Hauskatzen stetig zunimmt. Diese entlaufenen, zurückgelassenen oder ausgesetzten Haustiere und deren Nachfolgegenerationen, die auch außerhalb der Obhut des Menschen als Jagd- und Raubtiere gute Überlebenschancen haben, sind häufig nicht kastriert und pflanzen sich dementsprechend unkontrolliert fort. Die stetig wachsende Population frei wildlebender Katzen stellt u. a. zunehmend eine Bedrohung für die heimische Vogelwelt dar und trägt, da die frei wildlebenden Katzen im Bedarfsfall keine tierärztliche Behandlung erfahren, zur Verbreitung von Krankheiten bei. Die bestehende Situation wird dadurch verschärft, dass in der Obhut des Menschen lebende Hauskatzen, und hierbei insbesondere unkastrierte Kater, als Freigängerkatzen zur unkontrollierten Fortpflanzung beitragen. Bei den nicht kastrierten weiblichen Hauskatzen besteht die Gefahr, dass sich die Katzen während des Freigangs verpaaren und die Katzenhalter sich eines „mitgebrachten“ und unerwünschten Wurfes später durch verbotswidriges Aussetzen oder Freilassen der Tiere entledigen.

 

In der zurückliegenden Zeit hat es in NRW verschiedene und regional sehr unterschiedlich ausgeprägte Anläufe gegeben, im Zusammenwirken zwischen den Ordnungsbehörden, den Veterinärbehörden und den Tierschutzvereinigungen der zunehmenden Problematik Herr zu werden. Der bekannteste Lösungsansatz ist das sog. „Paderborner Modell“, bei dem im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr nach dem Ordnungsbehördengesetz der unkontrollierte Freigang und die Kastration und Kennzeichnung von in menschlicher Obhut gehaltenen Freigängerkatzen im Wege ordnungsbehördlicher Verordnungen geregelt worden sind. Die finanziellen Lasten für die parallel dazu betriebene Kastration wild freilebender Katzen (Einfangen wildlebender Tiere, Kastration der gefangenen Tiere und Zurücksetzen in die gewohnte Umgebung) werden in diesem Modell von den Beteiligten (Ordnungsbehörde, Veterinärbehörde und Tierschützer) gemeinsam getragen. Einen ähnlichen Lösungsansatz verfolgt der Kreis Euskirchen mit seinen Kommunen und Tierschutzvereinen, allerdings ohne den Freigang in menschlicher Obhut gehaltener Katzen per ordnungsbehördlicher Verordnung durch die Kommunen einschränken zu lassen.

 

In den Städten und Gemeinden des Kreises wurde die Thematik bislang wie folgt angegangen:

 

Soweit unabweisbarer Handlungsbedarf im Einzelfall gegeben war, sind in der Vergangenheit erkannte „Hot-Spots“ (lokal begrenzte Bereiche mit deutlich erhöhter Katzenpopulation) von Tierschützern mit freiwilliger finanzieller Unterstützung des Veterinäramtes des Kreises - ohne jegliche rechtliche Verpflichtung - entschärft worden.

 

Mit der letzten großen Änderung des Tierschutzgesetzes (TierSchG) im Jahre 2014 hat der Bundesgesetzgeber nunmehr auch den Tierschutzbehörden ein entsprechendes tierschutzrechtliches Instrument an die Hand gegeben. Im neu geschaffenen § 13 b TierSchG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter bestimmten Voraussetzungen durch Rechtsverordnung bestimmte Gebiete zum Schutz freilebender Katzen festzulegen (= Katzenschutzverordnung). Die Landesregierung NRW hat von der weiteren Ermächtigung des § 13 b TierSchG, wonach die Befugnis zum Erlass der Katzenschutzverordnungen auf andere Behörden übertragen werden kann, Gebrauch gemacht und die Ermächtigung auf die Kreisordnungsbehörden übertragen. Damit ist der Kreis befugt, eine solche Katzenschutzverordnung zu verabschieden.

 

Voraussetzung für den Erlass einer solchen Katzenschutzverordnung auf der Grundlage des § 13 b TierSchG ist, dass

·         in dem jeweiligen Gebiet eine hohe Zahl von Katzen lebt,

·         an diesen Katzen Schmerzen, Leiden oder Schäden festzustellen sind,

·         die Schmerzen, Leiden oder Schäden auf die hohe Populationsdichte zurückzuführen sind und

·         die festgestellten Schmerzen, Leiden oder Schäden durch die Verringerung der Zahl von Katzen verringert werden können.

 

In der Katzenschutzverordnung sind die Gebiete abzugrenzen und die für die Verminderung der Zahl der freilebenden Katzen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. § 13 b TierSchG ermächtigt auch ausdrücklich dazu, in diesen Gebieten den unkontrollierten freien Auslauf von in menschlicher Obhut gehaltenen fortpflanzungsfähiger Katzen zu beschränken und für Katzen, die freien Auslauf haben können, eine Kennzeichnung und Registrierung vorzuschreiben.

 

Der Erlass der begehrten Katzenschutzverordnung und insbesondere die darin enthaltene Beschränkung des Freiganges kommt nach dem Wortlaut des Tierschutzgesetzes (§ 13b Satz 4 TierSchG) aber nur nachrangig in Betracht, wenn andere Maßnahmen, insbesondere solche mit unmittelbarem Bezug auf die wild freilebenden Katzen (z. B. fangen, kastrieren und wieder an die alte Stelle zurücksetzen), nicht ausreichen.

 

Nach Rücksprache mit dem Ordnungsamt der Stadt Heinsberg sind dort keine „Hot-Spots“ - auch und erst recht nicht im Wohnumfeld der Antragstellerin - bekannt, die den Erlass einer Katzenschutzverordnung rechtfertigen würden. Auch nach den eigenen Feststellungen der im Tierschutz tätigen Veterinäre bestehen derzeit keine „Hot-Spots“, an denen die Voraussetzungen für den Erlass einer Katzenschutzverordnung erfüllt sind. Da momentan kein Bedarf für Maßnahmen mit unmittelbarem Bezug auf die freilebenden Katzen besteht, gibt es auch keinen akuten Handlungsbedarf im Sinne des Bürgerantrages.

 

Unabhängig von den derzeitig nicht erfüllten Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Katzenschutzverordnung ist die Katzenschutzverordnung in der vorgeschlagenen Form für sich genommen auch keine Gesamtlösung für das wachsende Problem. Mit einer Katzenschutzverordnung, die - wie hier vorgeschlagen - nur die Beschränkung des Freiganges gehaltener Katzen und deren Kennzeichnung zum Gegenstand hat, kann allenfalls bewirkt werden, dass die in Obhut des Menschen lebenden Tiere das Fortpflanzungsgeschehen nicht noch zusätzlich „befeuern“. An der Grundproblematik der unkontrollierten Fortpflanzung wild freilebender Katzen hindert die Verordnung diese Tiere nicht. Es fehlen in diesem Fall die Maßnahmen mit unmittelbarem Bezug auf die freilebenden Katzen, mit denen die Zahl der freilebenden Katzen wirksam verringert werden kann.“

 

Im Kreisausschuss wurde der Beschlussvorschlag der Antragstellerin einstimmig abgelehnt. Die Ablehnung wurde gemäß den Erläuterungen von Landrat Pusch damit begründet, dass eine Verordnung hier nicht das richtige Instrument sei und geprüft werde, wie das Problem sinnvoller angegangen werden könnte. Fraktionsvorsitzende Meurer schlägt vor, diese Vorgehensweise auch ausdrücklich im Beschluss aufzunehmen. Insofern wird über folgenden ergänzten Beschlussvorschlag abgestimmt:

 

Beschlussvorschlag:


Das Veterinäramt des Kreises erkennt die Problematik und arbeitet daher mit dem Tierschutzverein des Kreises Heinsberg eng zusammen. Für den Erlass einer Katzenschutzverordnung nach § 13 TierSchG bedarf es aussagekräftiger Dokumentationen und Erhebungen bezüglich der Norm abweichender Katzenpopulationen (Hot Spots). Diese liegen zurzeit nicht vor. Gemeinsam mit dem Tierschutzverein werden Lösungswege gegen die unkontrollierte Vermehrung von frei lebenden Katzen erarbeitet. Der Beschlussvorschlag der Antragstellerin ist daher abzulehnen.