Sitzung: 21.11.2018 Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Generationenfragen
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 13, Nein: 1, Enthaltungen: 1
Vorlage: 0579/2018
Beschlussvorschlag:
Die Verwaltung wird beauftragt, in Vorüberlegungen zur Erstellung eines Konzepts zur Erbringung von Leistungen zur Familienplanung einzutreten.
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Es wird auf den der
Einladung zur Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am 21.11.2018
als Anlage beigefügten Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom
12.10.2018 verwiesen.
Herr Andreas
Louven, Leiter des Amtes für Soziales, nimmt zu dem Antrag wie folgt Stellung:
Kosten für
empfängnisverhütende Mittel können grundsätzlich nicht als
sozialhilferechtlicher Bedarf anerkannt und leistungsmäßig berücksichtigt
werden.
Die Gewährung von
Leistungen zur Bestreitung von Kosten für Empfängnisverhütungsmittel einer über
20-jährigen Person ist als Hilfe zur Gesundheit im Rahmen der Sozialhilfe
ebenso ausgeschlossen wie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
(Urteil des BSG vom 15.11.2012 -B 7 SO 6 /11 R).
Auch nach den
anderen Kapiteln des SGB XII und nach dem SGB II besteht nicht ohne Weiteres
die Möglichkeit, Leistungen für diesen Zweck zu erbringen, insbesondere nicht
als Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII.
Damit sind die
Kosten für empfängnisverhütende Maßnahmen bzw. Mittel grundsätzlich aus dem
vorhandenen Einkommen bzw. der Regelleistung zu zahlen.
Allerdings ist zu
prüfen, ob es sich um einen besonders gelagerten Einzelfall handelt, in dem
sich ein höherer Anspruch auf der Grundlage einer unabweisbaren, erheblich vom
durchschnittlichen Bedarf abweichenden Bedarfslage ergibt, der dann mit einer
abweichenden Regelsatzfestsetzung gemäß § 21. Abs. 6 SGB II bzw. § 27a Abs. 4
Satz 1 SGB XII begegnet werden kann.
Fest steht damit,
dass im Regelfall Leistungen zur Beschaffung von Verhütungsmitteln nicht
gewährt werden.
Diese Situation
wird in der Literatur seit Jahren kontrovers diskutiert. Der Literatur ist
ebenso zu entnehmen, dass es in der kommunalen Landschaft verschiedene Ansätze
gibt, bei bedürftigen Personen – freiwillig – entsprechende Leistungen zu
erbringen.
Bereits im Jahre
2008 haben Donum Vitae e.V. und der AWO Kreisverband Heinsberg e. V. die
Einrichtung eines „Fonds zur Finanzierung von Sterilisationen in besonderen
finanziellen Notlagen“ vorgeschlagen. Nach Prüfung der Angelegenheit und
Erörterung mit den Vorsitzenden der
seinerzeit im Kreistag vertretenen Fraktionen wurde damals entschieden, keine
Kreismittel für die Gründung eines derartigen Fonds im Wege einer freiwilligen
Leistung zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sollte die Möglichkeit eröffnet werden,
spezielle Bedarfsfälle an den Kreis herantragen zu können, um über das Fachamt
im Einzelfall eine Entscheidung zur Übernahme von Sterilisationskosten treffen
zu lassen. Begründet wurde dies damit, dass eine direkte Gewährung von Hilfen
zur Gesundheit nach dem 5. Kapitel des SGB XII als Ersatz oder Aufstockung der
nach dem SGB V nicht zu erbringenden Leistungen für die Empfängnisverhütung
rechtlich nicht vertretbar sei.
Im Jahr 2011
stellten dann beide o. g. Vereine einen Antrag auf Einrichtung eines „Verhütungsmittelfonds
für Einkommensschwache“. Auch diesem Antrag wurde mit der o. g. Begründung
nicht entsprochen.
Seit 2009 erbringt
das Amt für Soziales des Kreises Heinsberg absprachegemäß in besonders
gelagerten Einzelfällen, die über die AWO Schwangerschaftsberatungsstelle oder
über die Beratungsstelle Donum Vitae an das Amt herangetragen werden, in
Zusammenarbeit mit diesen Stellen gegebenenfalls Leistungen zur Sterilisation.
Es werden dann die entsprechenden Kosten gezahlt.
Danach sind in den
letzten Jahren jeweils in ein bis zwei Fällen Leistungen erbracht worden:
2018: 2 Fälle
2017: Fehlanzeige
2016: 1 Fall
2015: 1 Fall
2014: Fehlanzeige
2013: 1 Fall
2012: 1 Fall
2011: Fehlanzeige
2010: 2 Fälle.
Nicht bekannt ist
dem Amt für Soziales, ob und in wie vielen Fällen darüber hinaus in den o. g.
Beratungsstellen oder im Jobcenter bzw. in den kommunalen Sozialämtern Hilfe
zur Beschaffung von empfängnisverhütenden Maßnahmen bzw. Mitteln nachgefragt
wurde.
Nach wie vor ist
die Verwaltung der Auffassung, dass die regelhafte Gewährung von Leistungen zur
Beschaffung von Verhütungsmitteln an Frauen oder Männer mit geringem Einkommen
auf Grund der Rechtslage nicht möglich ist. Die Versorgung in Notfällen im
Hinblick auf Sterilisationen ist bereits sichergestellt. Die Verwaltung nimmt
den Antrag allerdings zum Anlass, die Zusammenarbeit mit den
Schwangerschaftskonflikt-beratungsstellen bezüglich der Versorgung mit
Verhütungsmitteln in besonders gelagerten Einzelfällen zu optimieren. Ein
diesbezügliches Weisungsrecht gegenüber dem Jobcenter hat der Kreis allerdings
nicht.
Mit der Einrichtung
eines Fonds im Sinne des Antrages würde der Kreis Heinsberg freiwillige
Leistungen erbringen, die die der gesetzlichen Krankenversicherung und der
Sozialhilfe übersteigen.
Erforderlich ist
die Erstellung einer Konzeption, in der mindestens die Höhe der Fondseinlage,
der berechtigte Personenkreis, die Leistungsvoraussetzungen, Modalitäten der
Leistungserbringung sowie der dem Kreis entstehende Personal- und Sachaufwand
beschrieben sind.
Soweit beabsichtigt
ist, Dritte – z. B. die o.g. Beratungsstellen - mit der Erstellung der
Konzeption und/oder der Leistungserbringung aus dem Fonds zu beauftragen, sind
hierbei die vergaberechtlichen Vorschriften einzuhalten.
Der Vollständigkeit
halber wird auch auf die Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen in
besonderen Fällen hingewiesen. Das Land NRW ist im Rahmen bestimmter Vermögens-
und Einkommensgrenzen gesetzlich verpflichtet, die Kosten für einen
Schwangerschaftsabbruch nach Beratungsreglung zu übernehmen. Die
Kostenübernahme muss vor dem Schwangerschaftsabbruch bei der jeweiligen
gesetzlichen Krankenversicherung beantragt werden.