Sitzung: 13.03.2019 Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Generationenfragen
Beschluss: zur Kenntnis genommen
Vorlage: 0049/2019
Wegen des Umfangs
des Berichts ist dieser den Ausschussmitgliedern als Tischvorlage
bereitgestellt worden. Frau Daniela Ritzerfeld, Dezernentin für Jugend,
Gesundheit und Soziales des Kreises,
fasst die Kernpunkte zusammen.
1.
Mit Schreiben vom 07.11.2018 beantragten die Fraktionen der SPD sowie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Ausschuss für Gesundheit und Soziales die Einrichtung einer Frauenberatungsstelle. Es sei erforderlich, dass zu diesem Zweck eine qualifizierte Fachkraft zwecks Beratung zur Verfügung stehe und entsprechende Räumlichkeiten vorhanden seien. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Frauenhaus werde vorausgesetzt.
In der Stellungnahme der Verwaltung zu diesem Antrag wurde dargelegt, dass die beim SKF/M angesiedelte Beratungsstelle in der Zeit vom 01.01. bis 30.09.2018 lediglich 20 Frauen beraten hatte. Hiervon seien 19 Frauen präventiv und eine Frau nachgehend (nach vorherigem Aufenthalt im Frauenhaus) beraten worden. Hiervon ausgehend ergab sich eine durchschnittliche Beratungszeit in den ersten neun Monaten von rd. 11 Std./Monat, was die Einrichtung einer weiteren Personalstelle nicht rechtfertige. Aus Sicht der Verwaltung sei es daher weiterhin ausreichend, die Leistung der Frauenberatung wie bisher im Rahmen von Beratungseinheiten durch einen hierzu geeigneten Träger zu erbringen.
Hiernach wurde mehrheitlich beschlossen, die Frauenberatung im Kreis Heinsberg weiterhin wie bisher im Rahmen von Beratungseinheiten durch eine entsprechende Leistungsvereinbarung mit einem geeigneten Träger sicherzustellen.
Insgesamt wurden im Jahr 2018 letztlich 23 Frauen beraten, hiervon 19 präventiv und 4 nachgehend nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus.
2.
Am 10.01.2019 wurde per Email eine Abfrage unter den benachbarten bzw. mit dem Kreisgebiet vergleichbaren Frauenberatungsstellen (Aachen, Düren, Jülich, Mönchengladbach, Krefeld, Euskirchen, Viersen, Neuss) gestartet. Hierbei wurde zum einen die Zahl der in den Jahren 2016-2018 erfolgten Beratungen für den Bereich physische und psychische Gewalt abgefragt. Zum anderen wurde um Mitteilung gebeten, ob auch Frauen aus dem Kreis Heinsberg beraten worden seien; wenn ja, wie viele.
Von der Frauenberatungsstelle Aachen (Frauen helfen Frauen e. V.) wurde mitgeteilt, dass auch Frauen aus dem Kreis Heinsberg beraten werden, wenn sie dort vorstellig werden. Das komme auch vor. Geschätzt wurde diese Zahl mit "ca. 20". Von den anderen Beratungsstellen wurden hierzu keine Angaben gemacht.
Die Beratungszahlen für das Jahr 2017 - die Zahlen für 2018 lagen zum Zeitpunkt der Abfrage noch nicht vor - stellen sich für die o. g. Beratungsstellen für den Bereich physische/psychische Gewalt wie folgt dar:
Ort |
Beratungsstelle |
Beratung von Frauen Kreis HS |
Physische/psychische
Gewalt |
Aachen |
Frauen
helfen Frauen e. V. |
vermutlich ca. 20 |
391 |
Krefeld |
Frauenberatung Krefeld |
nein |
212 |
Euskirchen |
Frauen
helfen Frauen e. V. |
nein |
221 |
Viersen |
Frauenzentrum |
nein |
"vergleichbar mit
2016" => 435 |
Neuss |
Frauen
helfen Frauen e. V. |
keine Angabe |
437 (335 durch Polizei vermittelt; nur 30 % Selbstmelderinnen) |
Mönchen-gladbach |
Frauenberatungsstelle e. V. |
keine Angabe |
122 |
Jülich |
Frauen
helfen Frauen e. V. |
|
|
Düren |
Frauen
helfen Frauen e. V. |
|
|
Aus den Zahlen ergibt sich nicht, ob mit diesen jeweils persönliche, telefonische, kurze, lange oder wiederkehrende Beratungen erfasst wurden. Deutlich wird aber in jedem Fall, dass die Zahl der Beratungen bei allen anderen Beratungsstellen erheblich über den Zahlen der Frauenberatungsstelle des Kreises Heinsberg liegt.
Erklärbar wird das u. a. dadurch, dass seitens des SKF/M bisher keine Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die präventive Beratungsarbeit erfolgt ist. Dies erfolgte in Absprache mit dem Kreis, da es in der Vergangenheit keine offizielle Ausschreibung der präventiven Frauenberatung gegeben hatte. Es käme insoweit nämlich nicht nur der SKF/M als Anbieter derartiger Beratungsleistungen in Betracht.
Des Weiteren erfolgt bei anderen Frauenberatungsstellen eine wesentlich engere Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei: Kommt es dort zu Einsätzen wegen häuslicher Gewalt, erhalten die betroffenen Frauen zum einen ein Infoblatt; zum anderen werden sie aber auch gefragt, ob sie damit einverstanden sind, dass ihre Daten sofort und unmittelbar an die örtliche Frauenberatungsstelle weitergegeben werden. Ist das der Fall, rufen die Beratungsstellen proaktiv und zeitnah bei den betroffenen Frauen an. Diese Verfahrensweise ermöglicht einen sehr niedrig-schwelligen Zugang zu dem vorhandenen Beratungsangebot. Im Bereich der KPB Heinsberg erhalten die Frauen lediglich ein Infoblatt über vorhandene Beratungsmöglichkeiten. Weitere Maßnahmen werden weder von der Polizei noch von anderen Einrichtungen veranlasst.
Derzeit würde eine solche Verfahrensweise die personellen Kapazitäten der Frauenberatungsstelle des SKF/M (aktuell: 0,5 Stelle, die für die Frauenberatung vorgehalten wird) auch deutlich übersteigen.
Die Zahl der wenigen präventiven Beratungen durch den SKF/M sind darüber hinaus auch durch die nachstehend aufgeführten weiteren Aspekte erklärbar:
- Unter der bundesweit bekannten und beworbenen Nummer
des Hilfetelefons (08000116016, 24 h erreichbar, in 17 Sprachen) war die
Frauenberatungsstelle des Kreises Heinsberg bisher nicht gelistet. Hierum wird sich der SKF/M
kümmern.
- Auf der Homepage des Dachverbands der autonomen
Frauenberatungsstellen NRW e. V. findet sich die Frauenberatungsstelle des
SKF/M nicht, da es sich bei dem SKF/M um eine katholische Einrichtung
handelt und eine "autonome" Frauenberatungsstelle konfessionell
und parteipolitisch unabhängig ist. Insgesamt werden auf dieser Seite 52 Frauenberatungsstellen in NRW
ausgewiesen.
- Auf der Homepage des LVR werden die Frauenberatungsstellen im Rheinland dargestellt. Hierbei handelt es sich aber nur um eine "Liste der geförderten Frauenberatungsstellen". Da die Stelle des SKF/M nicht öffentlich gefördert wird, findet man die Beratungsstelle dort auch nicht. Zum überwiegenden Teil werden die Frauenberatungsstellen im Rheinland von dem Verein Frauen helfen Frauen e. V. betrieben.
- Die Frauenberatungsstelle ist im Psychosozialen Adressbuch des Kreises Heinsberg aufgeführt. Der Bekanntheitsgrad und der Inhalt dieses Adressbuches ist allerdings eher gering. Es befand sich bisher zwar schon in der Internetpräsenz des Kreises Heinsberg, war aber auch dort nur schwer zu finden. Inzwischen befindet sich der Link auf der Startseite des Internetauftritts. Googelt man die Stichworte "Frauenberatung, Heinsberg", gelangt man sofort zu den Kontaktdaten des SKF/M.
3.
Am 15.01.2019 wurde ein Gespräch mit zwei Beamtinnen der KPB Heinsberg aus dem Bereich Kriminalprävention/Opferschutz geführt.
Zum einen wurden die aktuellen Zahlen zu den Themen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen für das Gebiet des Kreises Heinsberg erfragt. Zum anderen wurde aber auch über die persönlichen Erkenntnisse der Beamtinnen aufgrund ihrer täglichen Arbeit gesprochen.
Die Fallzahlen "Häusliche Gewalt" steigen seit 2016 kontinuierlich, ebenso die Fälle "Häusliche Gewalt mit männlichen Beschuldigten".
Häusliche
Gewalt:
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
350 |
338 |
371 |
374 |
443 |
Häusliche Gewalt mit männlichen Beschuldigten:
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
324 |
294 |
334 |
335 |
398 |
Die niedrigen Beratungszahlen des Kreises Heinsberg sind also auch nicht dadurch erklärbar, dass der Kreis Heinsberg in Bezug auf das Thema "Häusliche Gewalt" besonders niedrige Fallzahlen aufweisen würde.
4.
Mit Schreiben vom 25.01.2019 wurde eine Interessensabfrage unter den kreisansässigen bzw. im Kreis tätigen Wohlfahrtsverbänden und Einrichtungen gestartet. Angeschrieben wurden der SKF/M, der Caritasverband für die Region Heinsberg e. V., die Lebenshilfe Heinsberg e. V., das Diakonische Werk des Kirchenkreises Jülich, die Arbeiterwohlfahrt, der Arbeiter-Samariter-Bund Regionalverband, das DRK und donum vitae Heinsberg e. V.
Es gab hierzu keine Rückmeldung dergestalt, dass einer der angeschriebenen Träger dazu bereit war, im Rahmen einer Leistungsvereinbarung präventive Frauenberatung zu erbringen.
Der SKF/M und die Arbeiterwohlfahrt zeigten sich zwar interessiert, sehen sich aber zu den angegebenen Konditionen nicht dazu in der Lage, die ausgeschriebene Leistung zu erbringen.
5.
Am 11.02.2019 besuchten zwei Vertreterinnen des Kreises Heinsberg das Referat 213 "Gewalt gegen Frauen" im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung in Düsseldorf. Dort wurden die Möglichkeiten einer Landesförderung für eine Frauenberatungsstelle gemäß der Richtlinie vom 19.12.2016 besprochen. Bislang erhält der SKF/M für sein Beratungsangebot keine Landesförderung.
Gefördert würden 1,5 Fachkräfte mit einem vom Land festgesetzten Jahrespauschalbetrag, welcher 85 % der Personalkosten abdecken soll. Für die Sachausgaben würde ein jährlicher Pauschalbetrag von 7.500,-- € gewährt.
6.
Am 14.02.2019 fand in Übach-Palenberg eine von der AsF und den Jusos organisierte Podiumsdiskussion unter dem Titel "Liebe ohne Hiebe" statt. Hier fand eine angeregte Diskussion über den aktuellen Sachstand der Frauenberatung im Kreis Heinsberg statt, verbunden mit einem Ausblick, wie Frauenberatung zukünftig organisiert werden könnte. Es erfolgte hierzu eine ausführliche Presseberichterstattung, auf die an dieser Stelle verwiesen wird.
Im Übrigen war das Thema zu Beginn des Jahres in diversen Printmedien präsent - nicht zuletzt insbesondere aufgrund einer Ende 2018 von der AsF und den Jusos ins Leben gerufenen Online-Petition.
Über den Fortgang der Angelegenheit wird die Verwaltung weiter berichten.