Sitzung: 19.12.2013 Kreistag
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 46, Nein: 3, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: 0209/2013/1
Beschlussvorschlag:
Die Verordnung zur Festsetzung von Beförderungsentgelten und Beförderungsbedingungen im Gelegenheitsverkehr mit Taxen im Kreis Heinsberg (Taxentarif) wird in der der Einladung zur Kreisausschusssitzung am 12.11.2013 als Anlage 2 zu TOP 2 beigefügten Fassung beschlossen.
Die derzeit gültige Verordnung zur
Festsetzung von Beförderungsentgelten und Beförderungsbedingungen im
Gelegenheitsverkehr mit Taxen vom 29.09.2011 ist seit dem 01.11.2011 in Kraft.
Mit Schreiben vom 26.04.2013 hat die
Fachvereinigung Personenverkehr Nordrhein Taxi-Mietwagen e.V. (Fachvereinigung)
eine Änderung des aktuellen Taxentarifs beantragt (Anlage 1 zu TOP 2 der
Einladung zur Kreisausschusssitzung). Der Antrag wird mit den für das
Taxigewerbe gravierend gestiegenen Kosten, insbesondere der Treibstoffpreise
und Kfz-Versicherungsbeiträge, aber auch mit der geplanten Einführung des
Mindestlohns begründet.
Die Verwaltung hat sich zunächst einen
Überblick über die Tarife der umliegenden Kreise und Städte verschafft. In den
Kreisen Düren und im Rhein-Erft-Kreis sind Anträge in ähnlicher Höhe gestellt
worden. In Viersen und in der Städteregion Aachen liegen aktuell noch keine
neuen Anträge vor; da die Tarife jedoch dem aktuell im Kreises Heinsberg
geltenden Tarif gleichen, sind dort auch entsprechende Anträge zu erwarten.
Nach den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes
hat die Genehmigungsbehörde die Beförderungsentgelte insbesondere daraufhin zu
prüfen, ob sie unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des
Unternehmers, einer ausreichenden Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals und
der notwendigen technischen Entwicklung angemessen sind.
Die Industrie- und Handelskammer Aachen (IHK)
hat in ihrer Stellungnahme den Antrag ausführlich bewertet. Sie teilt in der
Gesamtbetrachtung dazu mit, dass im Hinblick auf die im Gutachten über die
Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes im Kreis Heinsberg aus März 2011
festgestellte Unterdeckung eine betriebswirtschaftliche Konsolidierung weiter
vorangetrieben werden solle. Nach diesem Gutachten wies die
Wirtschaftlichkeitsberechnung der Taxiunternehmen für 2009 eine
Unterfinanzierung von ca. 6,2 % aus und die Tarifelemente Grundgebühr und
Kilometerentgelt hatten im März 2011 einen "Nachholbedarf" von
annährend 10%. Des Weiteren spricht sich die IHK für ein für den Fahrgast
nachvollziehbares Tarifsystem aus und somit gegen eine Splittung der Wartezeit.
Zur beantragten Erhöhung der Gebühr für den Einsatz eines Großraumtaxis (von
6,00 auf 8,00 €) wird angegeben, dass der NRW-Durchschnitt bei 4,90 € liege und
die Fahrzeugbeschaffungskosten nicht in dem Maße gestiegen seien, dass eine
Erhöhung dieses Elements um 33,33 % berechtigt sei.
Außerdem fordert die IHK vom Gewerbe
Kreativität zur Kundengewinnung und eine Steigerung der Attraktivität durch
zusätzliche Service-Angebote. Damit könnten sich Unternehmen von der Konkurrenz
absetzen und nicht durch die Einführung evtl. zu hoher Zuschläge
(Kartenzahlungsgebühr) das Gegenteil bewirken.
Im Oktober 2013 wurde zur beabsichtigten
Veränderung des Taxentarifs seitens der Verwaltung eine Besprechung mit
Vertretern der Fachvereinigung Personenverkehr Nordrhein Taxi-Mietwagen e. V.
(Geschäftsführer und eine Unternehmerin sowie zwei Unternehmer als Delegierte)
durchgeführt (Vertreter der IHK waren kurzfristig verhindert). Die beantragte
Erhöhung des Zuschlags für Großraumtaxen und die Einführung einer Kartengebühr
waren dabei ein Schwerpunktthema.
Erläuterungen
zu den einzelnen Tarifstellen:
Grundgebühr
Die bei der letzten Tarifänderung
eingeführte, erhöhte Grundgebühr beinhaltet eine Fahrtstrecke von 2 km und eine
Wartezeit von 5 min. Durch eine Erhöhung der Tarifstellen Kilometerpauschale
und Wartezeiten (siehe unten) ist auch hier eine Anpassung erforderlich, um die
Kostensteigerungen zu berücksichtigen. Außerdem wurde eine durch den
Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW (LBME NRW) vorgeschlagene Formulierung
eingeführt, die aufgrund der in einem Fahrpreisanzeiger verbauten Technik
erforderlich wurde. Durch die Formulierung wird geregelt, dass die Wegstrecke
in ein Verhältnis zur in der Grundgebühr enthaltenen Wartezeit gesetzt wird,
die sich je nach Situation (Fahrt/Stillstand) in einem mathematisch errechneten
Verhältnis verringern.
Kilometerpauschale
Der aktuelle Antrag der Fachvereinigung sieht
beim Element Kilometerpauschale eine Erhöhung um 0,20 € vor. Mit Blick auf die
letzten Veränderungen des Taxentarifs in 2011 mit einer teilweisen Senkung
(durch die Einführung der erhöhten Grundgebühr) sowie einer nicht vollständigen
Stattgabe der damals beantragten Kilometerpauschale macht eine Verringerung der
aktuell beantragten Erhöhung wenig Sinn.
Zum einen hätte eine Halbierung der
beantragten Erhöhung von 0,20 auf 0,10 € kaum Auswirkungen auf die gesteigerten
Kosten der Unternehmer und zum anderen würde eine Erhöhung um beispielsweise
0,15 € den Kunden kaum entlasten. Der Fahrer hätte vielmehr bei den auf 5ct
endenden Fahrpreisen das Problem, weiteres Wechselgeld vorhalten zu müssen.
Wartezeiten
Das Element Wartezeit deckt verkehrsbedingte
oder vom Fahrgast verursachte Stillstände ab, die der Unternehmer nicht oder
kaum beeinflussen kann. In diesen Zeiten hat der Unternehmer keine weiteren
Einnahmen als diesen Tarif. Bedingt durch die allgemeinen Kostensteigerungen
(Personal, Treibstoff) ist auch hier eine Anpassung angemessen und es wird
vorgeschlagen, die Wartezeitgebühr um 2 € auf 30,- € je Stunde anzuheben.
Die Fachvereinigung hat erstmals
unterschiedliche Tarife für die verkehrsbedingten (1. bis 5. Minute) und für
die vom Fahrgast verursachten Wartezeiten (ab der 6. Minute) beantragt, wobei
der Preis je Stunde in den ersten fünf Minuten 28,00 € und ab der sechsten
Minute 32,00 € betragen soll (vorher in allen Fällen ab der ersten Minute
27,- € je Stunde). Eine Differenzierung der Tarifstruktur ist aus Sicht der
Verwaltung nicht nachvollziehbar und erforderlich. Das Risiko einer längeren,
"verkehrsbedingten" Wartezeit (z.B. durch einen Unfall, Baustelle
oder Stau) würde somit auch auf den Fahrgast übergehen, der in diesen Fällen
dann auch eine erhöhte Gebühr zu zahlen hätte. Hinzu kommt, dass die
Tarifstruktur für den Kunden nachvollziehbar und übersichtlich bleiben soll;
daher ist die aus Sicht der Verwaltung unnötige Aufsplittung der vorhandenen
und bewährten Tarifstruktur nicht erforderlich.
Zur Vermeidung unnötiger, längerer
Wartezeiten wird vorgeschlagen, eine Regelung einzuführen, wonach der
Taxifahrer nicht länger als 15 Minuten warten muss.
Zuschlag
Großraumtaxi
Der Zuschlag für Großraumfahrzeuge soll den
Aufwand für den Einsatz größerer Fahrzeuge ausgleichen; es werden hier
Fahrzeuge eingesetzt, die bereits bei der Anschaffung und auch in der
Verwendung etwas kostenintensiver sind.
Der Zuschlag ist jedoch erst zu erheben, wenn
ein Großtraumtaxi ausdrücklich angefordert wurde bzw. mehr als vier Fahrgäste
befördert werden. Somit steht dieser Zuschlag immer im Verhältnis zu einer
größeren Zahl zu befördernder Fahrgäste. Die Fachvereinigung hat hier eine
Erhöhung von 6,00 € auf 8,00 € beantragt, die aus Sicht der Verwaltung nicht
angemessen ist. Der NRW-Durchschnitt beträgt hier etwa 4,90 €, so dass die
derzeitige Gebühr bereits ausreichend erscheint. Hinzu kommt, dass die
Anschaffungskosten für die hier eingesetzten Fahrzeuge nur in geringem Maße
gestiegen sind. Dieses Tarifelement wurde bei der Besprechung mit der
Fachvereinigung im Oktober sehr ausführlich diskutiert. Letztendlich wurde ein
Konsens bei einer Erhöhung des Zuschlags um 0,50 € auf 6,50 € gefunden.
Bei der letzten Änderung des Taxentarifs
wurde der Zuschlag für ein Großraumtaxi in "Einsatz spezieller
Fahrzeuge" umbenannt. Hintergrund war, dass Unternehmer vortrugen, mit
Fahrgästen im Rollstuhl einen zusätzlichen Aufwand zu haben und besonders
umgebaute und größere Fahrzeuge einsetzen, jedoch einen Zuschlag nicht erheben
durften.
Der LBME NRW teilte im vergangenen Jahr mit,
dass Begriffe wie "spezielle Fahrzeuge" vermieden und stattdessen
Begriffe wie "Großraumtaxen", "Kombis" oder "Taxen für
Rollstuhlfahrer" verwendet werden sollen. Hintergrund ist, dass die
unbestimmte Bezeichnung zu Problemen bei der Einordnung der Fahrzeuge führen
kann.
Somit soll der Tarif dahingehend angepasst
werden, dass die bisherige Bezeichnung durch die neu eingeführten
differenzierten Zuschläge "Großraumtaxen - für die Beförderung von gleichzeitig
mehr als 4 Fahrgästen" und "Taxen für die Beförderung von während der
Fahrt im Rollstuhl sitzenden Personen" ersetzt wird.
Der Zuschlag für den Einsatz eines Taxis für
Rollstuhlfahrer soll ebenfalls um 0,50 € auf 6,50 € erhöht werden.
Kartenzahlung
Die Einführung einer separaten
Kartenzahlungsgebühr ist aus Sicht der Fachvereinigung notwendig, da die
Unternehmer nur Zuschläge erheben dürfen, die im Taxentarif verankert sind. Zur
beantragten Höhe (2,00 €) teilte die Fachvereinigung Personenverkehr Nordrhein
Taxi-Mietwagen e.V. mit, dass die Vorhaltung der Zahlungsterminals im Taxi
bereits mit Kosten verbunden ist, aber auch der wesentlich längere
Zahlungsvorgang bei der Benutzung des Gerätes damit abgegolten werden soll.
Die Verwaltung teilt die Sicht der IHK, dass
die beantragte Gebühr sehr hoch erscheint und die Unternehmen das Anbieten
dieses Services viel mehr als ein werbewirksames Marketinginstrument sehen
sollten. Es wird vorgeschlagen, eine Gebühr in Höhe von 1,00 € für die Zahlung
mit Karte einzuführen, die jedoch als "Kann"-Regelung gelten soll.
Somit kann der Unternehmer im eigenen Ermessen entscheiden, wann er diese
Gebühr erhebt (z.B. bei der Zahlung von Kleinstbeträgen).
Nach Informationen des Straßenverkehrsamtes
ist im Kreis Heinsberg noch kein Taxi mit einem Kartenzahlungsterminal
ausgestattet. Die Einführung dieser Gebühr ist jedoch um Hinblick auf die evtl.
zukünftige Verwendung eines Gerätes erforderlich.
Blindenhunde
Durch Erlass vom 05.07.2013 hat das
Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr NRW klargestellt,
dass ein besonders hohes öffentliches Interesse an der Beförderung von blinden
Menschen mit ihren Blindenhunden vorliegt und daher keine Zweifel an einer
Beförderungspflicht für Blindenhunde bestehen. Um die Unternehmer zu
informieren und die Pflicht zur Beförderung entsprechend zu verankern, wurde in
§ 2 Abs. 1 Buchstabe d) der Satz "Blindenhunde sind unentgeltlich zu
befördern." neu eingefügt.
Unter
Abwägung der vorgenannten Ausführungen schlägt die Verwaltung vor, den
Taxentarif wie folgt zu ändern:
a) Grundpreis 5,50 €
Der
Grundpreis beinhaltet pro Fahrt eine Anfangsstrecke von 2000 Metern sowie eine
Anfangszeit von 432 Sekunden am Tag und 456 Sekunden in der übrigen Zeit. Die
verbleibende Anfangszeit verringert sich mit zunehmend zurückgelegter
Anfangsstrecke bzw. die verbleibende Anfangsstrecke verringert sich mit
zunehmend verstrichener Anfangszeit.
b) Wegstreckenentgelt
-
Werktagtarif in der Zeit von 06.00 bis
22.00 Uhr
(für
jeweils weitere 55,55 m angefangene Wegstrecke 0,10 €) je km
1,80 €
-
Nachttarif in der Zeit von 22.00 Uhr
bis 06.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen
(für
jeweils weitere 52,63 m angefangene Wegstrecke 0,10 €) je km
1,90 €
c) Wartezeiten
Diese sind verkehrsbedingte und vom
Fahrgast zu vertretende Stillstände des Taxis während seiner Inanspruchnahme.
Die Wartezeit wird mit 0,10 € je 12
Sekunden berechnet.
Dies entspricht einem Preis für die
Wartezeit für 1 Stunde von 30,00 €
Die Taxifahrerin/der Taxifahrer ist nicht
verpflichtet, länger als 15 Minuten zu warten.
d) Zuschläge
- für
die Beförderung von gleichzeitig mehr als 4 Fahrgästen mit einem
Großraumtaxi (Taxi mit mehr als 4
Fahrgastplätzen) oder für
die ausdrückliche Anforderung eines
Großraumtaxis ist ein Zuschlag
zum Grundpreis zu zahlen in Höhe von 6,50 €
- für
die Beförderung von während der Fahrt im Rollstuhl sitzenden
Personen ist ein Zuschlag zum
Grundpreis zu zahlen in Höhe von 6,50 €
- für
die Zahlung mit Karte (EC-/Geld-/Kreditkarte) ist ein Zuschlag
zum Grundpreis zu zahlen in Höhe von 1,00 €
Blindenhunde sind unentgeltlich zu
befördern.
Die Empfehlung entspricht im gesamten
Durchschnitt einer Erhöhung von 10,74 %.
Eine Gegenüberstellung der zurzeit gültigen
Fassung des Taxentarifs und des Verordnungs-Entwurfs ist als Anlage 2 zu TOP 2
der Einladung zur Kreisausschusssitzung beigefügt. Neue bzw. geänderte
Textpassagen sind unterstrichen.
Der LBME NRW - Direktion in Köln hat auf
Nachfrage bestätigt, dass auch eichtechnisch keine Einwände gegen die
beabsichtigte Neuregelung bestehen.
Aufgrund der umfangreichen Änderungen ist es aus Sicht der Verwaltung
sinnvoll, keine Änderungsverordnung zu erlassen, sondern die bisherige Verordnung
aufzuheben und durch eine neue Verordnung zu ersetzen.
Der Kreisausschuss hat die Beratung und Beschlussfassung in seiner Sitzung am 12.11.2013 bis zur Kreisausschuss- und Kreistagssitzung im Dezember 2013 zurückgestellt. Auf die den Fraktionen im Rahmen der Beantwortung der Anfrage der FDP-Fraktion zur Verfügung gestellten weiteren Informationen wird verwiesen.