Landrat Pusch beantwortet die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Sitzung des Kreistages wie folgt:

 

„Vor Beantwortung der einzelnen Fragen möchte ich darauf hinweisen, dass der Kreis Heinsberg im Rahmen des Braunkohlenstrukturfonds eine stringente Strategie verfolgt mit dem Eckpunkt „Erkelenz zuerst!“ Das bedeutet, dass der Kreis Heinsberg bzw. ganz konkret auf operativer Ebene die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Heinsberg mbH (WFG) die Stadt Erkelenz und den Zweckverband LandFolge Garzweiler konsequent dabei unterstützen, ihre Wünsche und Belange durchzusetzen. Es ist ein Gebot der Solidarität und der Fairness, dem hier gefolgt wird.

 

Dabei wird nicht alles angepeilt, was eine mögliche Förderung verspricht – immerhin handelt es sich um öffentliche Mittel, die über die Förderung verausgabt werden. Vielmehr konzentriert sich der Kreis Heinsberg auf wenige Schwerpunkte, die wichtig und richtig sind für eine tragfähige und nachhaltige zukunftsorientierte Entwicklung im Kreis.

 

 

Frage 1: Wie viele und welche Projektvorschläge aus dem Kreis Heinsberg wurden am 26.5.20 im ZRR Aufsichtsrat beraten?

 

Antwort: In der Aufsichtsratssitzung der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) am 26.05.2020 wurden insgesamt 83 Projekte beschlossen. Dabei handelt es sich um die Projektliste des sog. „SofortprogrammPlus“. Wie der Name dieses Programms bereits vermuten lässt, sollen damit Maßnahmen des Strukturwandels vorab auf den Weg gebracht werden, bevor das avisierte „Regelprogramm“, welches in mehreren zeitlichen Tranchen den gesamten Strukturwandel bis 2038 bestreiten soll, überhaupt anlaufen kann.

 

In diesem SofortprogrammPlus sind zwei Projekte verabschiedet worden, die bezüglich der „Verortung“ unmittelbar dem Kreis Heinsberg zugerechnet werden: Das „Kompetenzzentrum Transfer der Land- und Ernährungswirtschaft“ sowie die „FUTURE SITE InWEST“.

 

Weitere drei Projekte sind über den Zweckverband LandFolge Garzweiler (Stadt Erkelenz, Stadt Mönchengladbach, Stadt Jüchen und Gemeinde Titz) eingereicht und bewilligt worden. Dabei handelt es sich um die Projekte „Innovation Valley“ „Exzellenzregion Nachhaltiges Bauen“ und „Innovationspark Erneuerbare Energien Jüchen“.

 

Aufgrund der unstrittig besonderen Betroffenheit der Stadt Erkelenz durch den Tagebau Garzweiler und demzufolge auch den Auswirkungen des Strukturwandels, ist eine besondere Unterstützung der Belange der Stadt Erkelenz selbstverständlich. Entsprechend haben wir mit dafür gesorgt, dass diese Projektvorschläge berücksichtigt werden.

 

Das gleiche gilt im Übrigen auch für drei weitere „Erkelenzer Projekte“ mit den Namen „RIO“, „Holzweiler – Ort der Zukunft“ sowie „Gipco advanced“. Diese waren nicht Gegenstand des o.g. Beschlusses, sondern werden in einem parallel zum SofortprogrammPlus anlaufenden Sonderprogramm für die direkten Tagebau-Anrainerkommunen und Kraftwerksstandorte im Rheinischen Revier berücksichtigt. Ein Beschluss dazu steht noch aus, wird aber zeitnah erfolgen.

 

Darüber hinaus ist der Kreis Heinsberg in weitere acht Projekte involviert, die Teile des Rheinischen Reviers (Region Aachen) bzw. das gesamte Revier betreffen werden.

 

 

Frage 2: Von wem wurden welche Vorschläge aus dem Kreis (auch aus Bürgerbeteiligungsverfahren) eingereicht?

 

Antwort: Das Kompetenzzentrum Transfer der Land- und Ernährungswirtschaft wurde über das Netzwerk Plain RR (bestehend aus Unternehmen aus dem Bereich Land- und Ernährungswirtschaft, landwirtschaftlichen Unternehmen bzw. dem Rheinischen Landwirtschaftsverband und relevanten Forschungseinrichtungen) und dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW (MULNV NRW) eingebracht. Diesen Akteuren, insbesondere dem MULNV NRW, gebührt in diesem Zusammenhang besonderer Dank. In den letzten Monaten hat sich bezogen auf diesen Projektvorschlag sowie weitere Entwicklungsvorhaben (namentlich das von der WFG mit initiierte Bündnis INGRAIN) eine ebenso gute wie zielführende Zusammenarbeit ergeben.

 

FUTURE SITE InWEST wurde formal über die WFG – stellvertretend für den Kreis Heinsberg – eingebracht.

 

 

Frage 3: Haben bisher nicht berücksichtigte Projektvorschläge aus dem Kreis Heinsberg die Chance, in eine so genannte zweite Liste des ZRR zu kommen, die im Oktober an das Land als Entscheider gesandt werden soll? Welche sind dies konkret?

 

Antwort: Grundsätzlich natürlich. Wie bereits beschrieben, handelt es sich bei den Beschlüssen von Ende Mai um das sog. SofortprogrammPlus. Das eigentliche Regelprogramm des Strukturwandels im Rheinischen Revier, das – so die Beschlüsse aus dem sog. Kohlekompromiss – mit 15 Mrd. Euro bis 2038 umgesetzt werden soll, ist weder angelaufen, noch ist es überhaupt verabschiedet.

 

Einschränkend muss dabei festgestellt werden, dass die gesetzlichen Grundlagen auf Bundes- und Landesebene für den sog. Kohlekompromiss – und damit die Förderung des Braunkohlenstrukturwandels in allen Braunkohlerevieren in Deutschland – noch ausstehen. Sie werden für die kommenden Monate erwartet. Dies ist die Grundlage für Projektförderungen des künftigen Regelprogramms, aber ebenso wie für das jetzt beschlossene SofortprogrammPlus und auch das anstehende Sonderprogramm für die Tagebauanrainerkommunen und Kraftwerksstandorte.


Dies waren zumindest die Planungen vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Angesichts der damit verbundenen enormen und in diesem Umfang noch nie dagewesenen Herausforderungen ist unklar, ob, in welchen Umfang und mit welchem zeitlichen Horizont tatsächlich der Braunkohlenstrukturwandel über Fördermittel flankiert werden kann.

 

Gleichwohl sind weitere mögliche Vorhaben aus dem Kreis Heinsberg in Vorbereitung. Im Mittelpunkt stehen dabei Verkehrsinfrastrukturerschließungen, innovative Entwicklungs- und Erprobungsansätze im Bereich Mobilität der Zukunft („HÜX“) und neue Energien (Wasserstoff).

 

 

Frage 4: Was ist mit den Projekten gemeint (z. B. Innovationspark Erneuerbare Energien Jüchen), die als Verortung mehrere Städte oder Kreise nennen?

 

Antwort: Bezüglich der Projekte des Zweckverbands LandFolge Garzweiler bzw. gesamtregionaler Vorhaben ist dies bereits unter Punkt 1 umrissen.

Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass es deutlich zu kurz gedacht wäre, wenn man wirtschaftlichen Strukturwandel auf einzelne Standorte reduziert. Es geht darum, neue ökonomische Strukturen im gesamten Rheinischen Revier oder zumindest in Teilräumen zu entwickeln, die zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen und Wertschöpfung ermöglichen. Insofern ist es in vielen Fällen von nachrangiger Bedeutung, welche Ortsbezeichnung hinter den Projekten steht. Wichtiger ist, was diese Projekte schaffen und welche Relevanz dies für die Menschen im Kreis Heinsberg hat. Die Qualität der Projekte ist darüber hinaus viel entscheidender als die Quantität der berücksichtigten Projekte.

 

 

Frage 5: Welche Chancen bestehen dabei für den Kreis Heinsberg als Standort infrage zu kommen?

 

Antwort: Siehe Antwort zu Frage 4.

 

 

Frage 6: Welche weiteren Beteiligungsmöglichkeiten sind vorhanden und wie werden die Verbände, Bürgerinnen und Bürger etc. darüber informiert?

 

Antwort: In der besonders betroffenen Stadt Erkelenz und im Bereich des Zweckverbands LandFolge Garzweiler gibt es im Zusammenhang mit dem Tagebau, der Umsiedlung und auch dem Strukturwandel verschiedene Beteiligungsformate. Ebenso führt die ZRR diverse Informations- und Beteiligungsformate (u.a. die im letzten Jahr umgesetzten Revierkonferenzen und die thematisch differenzierten Revierknotenkonferenzen) durch. Darüber hinaus plant die ZRR auch künftig umfängliche Beteiligungsverfahren, aktuell z.B.: IHK Aachen am 10. Juni in Erkelenz zum Thema „Flächenausweisung im Strukturwandel“.

 

 

Frage 7: Werden der Kreis Heinsberg oder die Wirtschaftsförderungsgesellschaft weitere Projektideen einbringen?

 

Antwort: Wenn das Regelprogramm des Strukturwandels im Rheinischen Revier mit der avisierten Laufzeit kommen wird, ist dies wahrscheinlich.

 

 

Frage 8: In welcher Form werden die politischen Gremien eingebunden?

 

Antwort: Die Findung und vor allem die qualitative Ausarbeitung von Projektideen ist ein aufwendiger und dynamischer Prozess, über den nicht permanent berichtet werden kann. Ungeachtet dessen ist uns an weitgehend möglicher Transparenz gelegen.

 

Ich habe immer wieder in den vergangenen zwei Jahren über den Fortgang der Entwicklung im Kontext LEP-Fläche Lindern bzw. heute FUTURE SITE InWEST im Kreistag berichtet. Zuletzt hat am 28. Januar diesen Jahres WFG-Geschäftsführer Schirowski ausführlich im Ausschuss für Umwelt, Klima, Verkehr und Strukturwandel sowohl über die Regionalplanung – und dabei auch die FUTURE SITE InWEST – als auch über den Strukturwandel im Rheinischen Revier und unsere möglichen Projektansätze berichtet.

 

Auch sind diese Themen wiederholt und ausführlich in den Aufsichtsrats- und Gesellschaftergremien der WFG und in den HVB-Runden mit den Städten und Gemeinden behandelt worden.


Darüber hinaus ist WFG-Geschäftsführer Schirowski immer wieder in Gesprächsrunden der Kreistagsfraktionen eingeladen und berichtet bzw. diskutiert auch in diesen Zusammenhängen strategische Überlegungen und konkrete Projektansätze.“