Betreff
Aufhebung der Satzung des Kreises Heinsberg über die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen auf dem Gebiet der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung / Fleischhygiene
Vorlage
0269/2020
Art
Beschlussvorlage/Antrag

Beschlussvorschlag:

Die Satzung des Kreises Heinsberg über die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen auf dem Gebiet der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung / Fleischhygiene vom 12.11.2007 wird mit Wirkung zum 01.01.2021 aufgehoben. 


Die Erhebung der Gebühren für Amtshandlungen auf dem Gebiet der Fleischhygiene erfolgt zurzeit auf der Grundlage der Satzung vom 12.11.2007.

 

Seinerzeit gab es im Kreis Heinsberg noch insgesamt 16 kleine Schlachtbetriebe, vorwiegend Metzgereien mit Schlachtungen für den Eigenbedarf, und es ergaben sich für das Kalkulationsjahr 2006 folgende gebührenpflichtige Schlachtzahlen (einschl. Hausschlachtungen).

 

Rinder                                        348

Schweine:                            7.924

Schafe/Ziegen                         323

Geflügel                              48.529 

 

Derzeit gibt es nur noch 7 kleine Schlachtbetriebe und die gebührenpflichtigen Schlachtzahlen sind auf folgende Werte gesunken (Stand: 2019):

 

Rinder                                        141  

Schweine                             2.910

Schafe/Ziegen                        120

Geflügel                              14.595

 

Die aufgezeigten Entwicklungen zeigen bereits auf, dass es sich für die kleineren Schlachtbetriebe kaum noch rechnet, in kleinen Margen vor Ort Tiere zu schlachten und zu zerlegen. Es besteht ein starker wirtschaftlicher Druck, gegebenenfalls das Schlacht- und Metzgerhandwerk aufzugeben und das Fleisch von großen Schlachthöfen oder Fleischproduzenten zu beziehen. In der Fleischproduktion hat in den letzten Jahrzehnten ein starker Strukturwandel mit einer Konzentration auf Großschlachtbetriebe stattgefunden. Das auf Masse und Kostenersparnis getrimmte System dieser Schlachthöfe hat sicherlich zu preisgünstigen Fleischprodukten geführt, wobei zunehmend wenige Großunternehmer einen erheblichen Einfluss auf das gesamte Preisgeschehen haben. Den kleinen, meist familiär geführten Handwerksbetrieben fällt es immer schwerer, auf der einen Seite die hohen europarechtlichen und durch nationale Vorschriften bedingten Auflagen in den Bereichen Hygiene, Lebensmittelsicherheit und Arbeitsabläufe zu erfüllen und auf der anderen Seite bei hoher Qualität und Angebotsvielfalt dem Preisdruck zu entsprechen.

 

In der noch anhaltenden Corona-Krise ist sehr deutlich geworden, zu welcher Misere die Monopolbildung und Strukturausrichtung auf Großunternehmen bei einem immer stärker werdenden Kostendruck und Preiskampf führen kann. Für die Tiere gibt es immer länger werdende Transportwege unter Vernachlässigung des Tierwohlgedankens, die regionale Vielfalt bei den Fleischprodukten geht verloren und auch die Qualität bleibt oftmals auf der Strecke. Hinzu kommen schlechtere Arbeitsbedingungen und eine niedrige Bezahlung der Arbeitskräfte bei intransparenten Anstellungsverhältnissen.

 

Die Forderungen nach einem Umdenken und Umlenken in der Fleischindustrie und ggfs. auch einer gezielten Förderung der kleinen Schlachtbetriebe zum Wiederaufbau der verloren gegangenen Strukturen werden in letzter Zeit insbesondere auch von Seiten der Verbraucher immer deutlicher. Die im Kreis Heinsberg noch verbliebenen kleinen Schlachtbetriebe leiden ebenfalls unter den für sie ungünstigen Strukturen und beklagen dabei u. a. auch die Höhe der bislang nach der o. a. Satzung erhobenen Gebühren. Die seinerzeit kalkulierten Gebühren für die vorgeschriebenen Amtshandlungen sind naturgemäß bei kleinen Schlachtbetrieben im Vergleich zu Großschlachtbetrieben deutlich höher, da die anfallenden Kosten (u. a. Personalkosten für Kontrollpersonal - amtliche Tierärzte, Fachassistenten, Verwaltungsmitarbeiter -, Reisekosten, Kosten für Probenahmen und Laboranalysen) nur auf  wesentlich geringere Schlachtzahlen verteilt werden können. Würden die Gebühren aktuell nach nunmehr 13 Jahren neu und kostendeckend kalkuliert, so wäre mit einer weiteren Verteuerung zu rechnen, die die betroffenen Betriebe ggfs. überhaupt nicht mehr verkraften könnten.

 

Um die noch verbliebenen Strukturen zu erhalten, die regionale Wirtschaft zu stärken, das direkte Verhältnis zwischen Landwirten, Schlachtern, Metzgern und Gastronomie sowie Endverbraucher anzuschieben und dabei auch dem Tierwohlgedanken und den Interessen des Tierschutzes zu entsprechen, sollte künftig von der weiteren Erhebung der durch die Satzung festgelegten Gebühren für Amtshandlungen auf dem Gebiet der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung / Fleischhygiene Abstand genommen werden.

 

Nach den rechtlichen Vorgaben gemäß der Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15.03.2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel und zur Änderung/Aufhebung diverser europarechtlicher Verordnungen/Richtlinien, dem Gebührengesetz für das Land NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.08.1999 und der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung kann der Kreis als zuständige Behörde sich zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden, die Höhe der zu erhebenden Gebühr zu bestimmen. Artikel 79 VO (EU) 2017/625 sieht vor, dass die Gebühr entweder

-          in Höhe der gemäß Artikel 82 Absatz 1 berechneten Kosten (durch kommunale Satzung nach vorheriger Kalkulation der tatsächlich entstehenden Kosten) oder

-          entsprechend den in Anhang IV der vorgenannten Verordnung vorgesehenen Beträgen (Pflichtgebühren)

zu erheben ist.

 

Die im Anhang IV der VO (EU) 2017/625 und seit dem 14.12.2019 auch in den Tarifstellen 23.8.4 ff. der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung aufgeführten (Pflicht-)Gebühren sind in ihrer Höhe für die kleinen Schlachtbetriebe erheblich günstiger als die Gebühren, die sich nach der derzeit noch geltenden Gebührensatzung des Kreises ergeben oder gar nach einer aktuellen und an den tatsächlich entstehenden Kosten orientierten Gebührenkalkulation errechnen würden. Auf der Basis der Gebührenhöhe der derzeit geltenden Gebührensatzung würde sich für die kleinen Schlachtbetriebe im Kreis Heinsberg eine Gebührensenkung von rd. 83 % bis rd. 97 % ergeben. Ausgehend von Gebühreneinnahmen von derzeit rd. 39.000 €/Jahr würden diese sich um rd. 36.000 € reduzieren, was im allgemeinen Kreishaushalt zu kompensieren sein wird. Im alternativen Fall der Beibehaltung der die Betriebe stark belastenden Gebühren müsste mit einer hohen Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass es zu weiteren Betriebsaufgaben kommt und damit die Gebühreneinnahmen in den nächsten Jahren ebenfalls wegfallen würden.

 

Landrat Pusch betont in der Sitzung des Kreisausschusses, dass der beabsichtigte Schritt zu einer Förderung und Erleichterung für die regionalen Betriebe führe.

 

Die CDU-Fraktion begrüßt den guten, wenn auch ungewöhnlichen Vorschlag zur Aufhebung der Satzung. In den Nachbarkreisen gäbe es einen solchen Schritt nicht, wodurch der Kreis Heinsberg einen Wettbewerbsvorteil erreichen könne. Auch die FDP-Fraktion steht dem Vorhaben positiv gegenüber und stellt die Vorteile für den Standort Kreis Heinsberg und die regionalen Schlachtbetriebe heraus.

 

Nachdem Landrat Pusch darauf hinweist, dass die regionale Wertschöpfung sowie lokale Nachhaltigkeit generell sehr wichtig Themen seien, die auch fraktionsübergreifend noch einmal diskutiert werden sollten, lässt er über den Beschlussvorschlag abstimmen.