Betreff
Solidaritätspartnerschaft mit einer ukrainischen Gebietskörperschaft
Vorlage
0146/2023
Art
Beschlussvorlage/Antrag

Beschlussvorschlag:

Die Verwaltung des Kreises Heinsberg wird ermächtigt, einen Solidaritätspartnerschaftsvertrag mit dem Rajon Nikopol zu schließen.

 

Ferner wird die Verwaltung ermächtigt, Förderanträge zur Unterstützung des Rajons Nikopol und seiner kreisangehörigen Städte zu stellen und hierbei Eigenmittel bereitzustellen. Entsprechende Haushaltsmittel für Hilfsgüter an den Rajon Nikopol für die Haushaltsjahre 2024 ff. werden in den Haushalt eingeplant. 


Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 07.02.2023 folgenden Beschluss gefasst:

 

„1. Der Kreis Heinsberg strebt eine Städte- oder Solidaritätspartnerschaft mit einer größeren Stadt, einem Rajon (vgl. mit unseren Kreisen) oder einem der 24 Oblaste (Regionen) der Ukraine an.

Die Verwaltung erarbeitet kurzfristig einen entsprechenden Vorschlag.

 

2. Es wird angestrebt, dass die Partnerschaft auch nach den Kriegshandlungen fortgesetzt und gepflegt wird.“

 

In der Sitzung des Ausschusses für Kultur, Partnerschaft und Tourismus am 04.05.2023 wurde über den Zwischenstand informiert und mitgeteilt, dass die Verwaltung in den kommenden Wochen gemeinsam mit der „Servicestelle – Kommunen in der einen Welt“ eine geeignete Stadt oder einen geeigneten Kreis in der Ukraine auswählen und über das weitere Vorgehen berichten wird.

 

Mit E-Mail vom 04.07.2023 wurden die Fraktionen unterrichtet, dass zwischenzeitlich unter Vermittlung der „Servicestelle – Kommunen in der einen Welt“ (SKEW) Kontakt zum Rajon (Landkreis) Nikopol aufgenommen wurde, der eine entsprechende Solidaritätspartnerschaftsanfrage veröffentlicht hat. Seitens der SKEW wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei einer Solidaritätspartnerschaft zunächst um eine nicht-formalisierte Partnerschaft handelt, deren Ziel alleinig die zielgerichtete und bedarfsorientierte Unterstützung einer ukrainischen Kommune ist. Dass sich hieraus eine Freundschaft mit langfristiger Perspektive ergeben kann, liegt in der Natur der Sache.

 

Allgemeiner Vertreter Schneider hat den Kreis Heinsberg bei dem 04.07.2023 durchgeführten Onlinetreffen mit der SKEW und dem Rajon Nikopol vertreten. In diesem Treffen haben sich der Rajon Nikopol als auch der Kreis Heinsberg einander vorgestellt. Seitens des Vorsitzenden des Rajonsrates, Herrn Dmytro Bychkov, wurdes das Interesse des Kreises Heinsberg an einer Solidaritätspartnerschaft mit dem Rajon Nikopol sehr begrüßt. Neben aktuellen kriegsbedingten Unterstützungsbedarfen im Rajon brachte er den perspektivischen Wunsch nach einer langfristigen Partnerschaft mit dem Kreis Heinsberg zum Ausdruck.

 

Zwischen den beiden Kreisvertretern wurde zunächst ein weiterer Austausch vereinbart, in dem der Rajon Nikopol in einem ersten Schritt den aktuellen Hilfebedarf aufzeigen wird. Seitens der Kreisverwaltung könnten hierauf aufbauend dann die konkreten Unterstützungsmöglichkeiten geprüft und wenn möglich umgesetzt werden, wobei je nach Art der Hilfe ggf. politische Beschlüsse erforderlich werden. Finanzielle Fördermöglichkeiten werden bei der Prüfung der Realisierung einbezogen.

 

Der Rajon Nikopol (rd. 255.500 Einwohner bei Kriegsbeginn) ist wie der Kreis Heinsberg ländlich geprägt und verfügt auch über eine Bergbaugeschichte (Manganerzabbau). In der der Einladung zur Sitzung des Kreisausschusses angefügten Karte ist die geografische Lage des Rajons Nikopol dargestellt. Südlich wird der Rajon Nikopol durch den Stausee Kachowkaer begrenzt, der sich nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms nur noch als Steppe bezeichnen lässt. Der Rajon Nikopol steht laut Auskunft von Herrn Dmytro Bychkov als Teil des Kriegsgebietes auch unter Beschuss.

 

Der Rajon liegt im Süden des Oblast (vergleichbar Bundesland) Dnipropetrowsk, welcher wiederum eine Solidaritätspartnerschaft mit dem Land Nordrhein-Westfalen eingegangen ist. Die „Kreisstadt“ Nikopol ist derzeit im Aufbau einer Solidaritätspartnerschaft mit der Stadt Leverkusen. Durch die vorstehend beschriebenen beiden bestehenden bzw. im Aufbau befindlichen Solidaritätspartnerschaften sieht die Verwaltung die Möglichkeit Synergien zu nutzen und effektiver Hilfe leisten zu können. Die Staatskanzlei hat zudem für die Gründung von Solidaritätspartnerschaften im Oblast Dnipropetrowsk geworben.

 

Laut Auskunft von SKEW ist der Kreis Heinsberg einer der ersten Landkreise in Deutschland, der eine Solidaritätspartnerschaft mit einem Rajon anstrebt.

 

Da die geführten Gespräche mit der SKEW sowie dem Rajon Nikopol gezeigt haben, dass die ukrainischen Kommunen jede Form der Unterstützung benötigen und Absagen in der jetzigen Notsituation ethisch schwierig vertretbar wären, hat der Kreis keine weiteren Kontakte zu anderen Rajons aufgenommen.

 

Die Fraktionsvorsitzenden wurden in einem Erörterungsgespräch am 23.08.2023 darüber informiert, dass ein Abgeordneter des Stadtrats von Marhanez im Juli 2023 eine Bedarfsliste an den Kreis Heinsberg übersendet hat. Die Stadt Marhanez liegt im Rajon Nikopol und hat aktuell einen sehr großen Hilfebedarf. Eine der größten aktuellen Herausforderungen besteht im Aufbau der Trinkwasserversorgung. Durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms ist Marhanez von der bisherigen Wasserversorgung durch den Stausee abgeschnitten. Aktuell erfolgt eine Notversorgung durch Lieferungen aus dem rund 60 km entfernten Saporischschja und einigen kurzfristig gebohrten Brunnen. Mittel- bis langfristig muss die Wasserversorgung von Marhanez komplett neu geplant und aufgebaut werden.

 

Des Weiteren werden diverse Fahrzeuge benötigt. Die Verwaltung beabsichtigt zunächst, zwei ausgesonderte Fahrzeuge aus dem Fuhrpark der Kreisverwaltung an den Rajon Nikopol zu spenden. Der Transport in die Ukraine soll in Kooperation mit dem Blau-gelbem Kreuz e.V. Köln erfolgen. Darüber hinaus ist geplant, ausgesonderte PCs aus der Verwaltung zu spenden, die für die Aktivitäten eines humanitären Projekts in der Stadt Pokrow im Rajon Nikopol genutzt werden.

Aktuell beschäftigt sich die Verwaltung mit Fördermöglichkeiten des Bundes, um weitere Projekte im Rajon Nikopol umzusetzen. Hierfür sind auch – in geringerem Umfang - finanzielle Eigenmittel des Kreises beizubringen, die im Haushalt 2024 eingeplant werden.

 

Im Erörterungsgespräch mit den Fraktionsvorsitzenden am 23.08.2023 wurde die Absicht zum Abschluss einer Solidaritätspartnerschaft zustimmend zur Kenntnis genommen und ein entsprechender Beschlussvorschlag erbeten.

 

Seit einigen Wochen finden außerdem Gespräche mit Vertretern der Stadt Brühl statt, die eine Solidaritätspartnerschaft mit der Stadt Marhanez beabsichtigt und an einer gemeinsamen Projektumsetzung interessiert ist. Der Kreis Heinsberg ist überzeugt, dass man die hierdurch entstehenden Synergieeffekte nutzen sollte.

 

In der Sitzung des Kreisausschusses bittet die FDP-Fraktion darum, die finanziellen Auswirkungen zu konkretisieren und schlägt vor, ab dem Haushaltsjahr 2023 zunächst jährlich 25.000,00 € Eigenmittel für die ukrainische Solidaritätspartnerschaft bereitzustellen und diesen Ansatz fortlaufend zu überprüfen.

Landrat Pusch sowie die Kreisausschussmitglieder erklären sich hiermit einverstanden.