Betreff
Unterstützung des Kreises Heinsberg der Klage der Städteregion Aachen gegen das Atomkraftwerk Tihange, Belgien
Vorlage
0337/2016/1
Art
Beschlussvorlage/Antrag
Referenzvorlage

Beschlussvorschlag:

Neben der ideellen Unterstützung der Städteregion Aachen beteiligt sich der Kreis Heinsberg an den Kosten des Klageverfahrens mit 3.000.- €.


Der Kreistag hat in seiner Sitzung vom 03.03.2016 beschlossen, die Städteregion Aachen bei ihrem Klagevorhaben ideell zu unterstützen. Art und Weise der weiteren materiellen Beteiligung sollte noch geklärt werden. Zwischenzeitlich hat neben diversen Gesprächen u.a. auch eine der regionalen Abstimmung des weiteren Vorgehens dienende Informationsveranstaltung in der Städteregion Aachen stattgefunden, an der ca. 50 interessierte Kreise, Städte und Gemeinden aus Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg teilgenommen haben. Das Ergebnis der ausführlichen Erörterung, bei der auch deutsche sowie belgische Rechtsanwälte mitgewirkt haben, lässt sich wie folgt zusammenfassen:

 

Das anstehende Klageverfahren, das den Betrieb des Atomkraftwerkes generell zum Gegenstand haben wird, wird nach belgischem Recht im Wesentlichen aus einer Interessenabwägung bestehen. Während sich das Betreiberinteresse mit eindeutigen Zahlen belegen lässt, wird das Risiko für die deutsche Öffentlichkeit von vielen, nur schwer vorhersehbaren Faktoren bestimmt sein. Angesichts dieser Unwägbarkeiten raten sowohl die deutschen als auch belgischen Anwälte dringend dazu, dass sich nur diejenigen Kommunen unmittelbar an der Klage beteiligen, die aufgrund ihrer geographischen Lage am stärksten von einem atomaren Unfall betroffen wären. Neben der Städteregion sollten daher jeweils nur noch eine niederländische und luxemburgische Kommune als weiterer Kläger auftreten. Unabhängig davon hat das Land NRW in einer Pressemitteilung vom 12.04.2016 erklärt, ebenfalls Klage gegen den Betrieb des AKW in Tihange einreichen zu wollen. Dieses Verfahren wird allerdings nach derzeitigem Kenntnisstand nicht über die von der Städteregion beauftragten Kanzleien laufen, sondern parallel geführt werden.

 

Zur Vorbereitung der Klage der Städteregion müssen noch weiter Informationen sowohl technischer als auch rechtlicher Natur eingeholt werden. So ist etwa – trotz entsprechender Anfragen bei der belgischen Atomaufsichtsbehörde Federaal Agentschap voor Nucleaire Controle (FANC) – bislang nicht bekannt, mit welchem konkreten Inhalt und unter Zugrundelegung welcher Annahmen die Genehmigung zur Wiederinbetriebnahme des Reaktors erteilt worden ist. Vor diesem Hintergrund ist ein Informations- und Unterstützungsersuchen an das Europäische Parlament vorbereitet worden, das öffentlichkeitswirksam dem Präsidenten des EP, Herrn Martin Schulz, persönlich überreicht werden soll. Die Übergabe wird nach aktuellem Stand Mitte Mai erfolgen.

 

Da eine unmittelbare Klagebeteiligung nicht sinnvoll erscheint, haben sich die Teilnehmer am  Erörterungsgespräch in der Städteregion darauf verständigt, die Städteregion im Rahmen einer möglichst einheitlichen Systematik – vorbehaltlich einer entsprechenden Beschlussfassung der zuständigen kommunalen Gremien – finanziell zu unterstützen. Dabei wurde ein Kostenbeitrag von 3.000,- € je Kreis bzw. kreisfreier Stadt und von 1.000,- € je interessierter kreisangehöriger Kommune ins Auge gefasst.

 

In der Sitzung des Kreisausschusses führt Landrat Pusch Folgendes aus:

 

„Die finanzielle Beteiligung ist zwischenzeitlich auch Punkt einer Besprechung der Bürgermeister gewesen. Diese haben sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass der Kreis – auch im Namen der kreisangehörigen Kommunen – die Städteregion mit 3.000,- € unterstützt.

 

Wie bereits in den Erläuterungen zum Tagesordnungspunkt mitgeteilt, hat sich nunmehr auch das Land NRW dazu entschlossen, eine Klage gegen den Betrieb des Atomkraftwerkes Tihange einzureichen. Nähere Einzelheiten hierzu sind uns noch nicht bekannt. Klar ist allerdings, dass auch für die Klage des Landes dieselben Überlegungen hinsichtlich der Güterabwägung gelten wie für die Klage der Städteregion. Auch der Bund hat sich aktuell deutlich  stärker gegen die Atomkraftwerke Tihange und Doel positioniert als noch vor wenigen Wochen. Das Bundesumweltministerium hat gegenüber den belgischen Behörden nunmehr offiziell die Bitte geäußert, die Reaktoren abzuschalten.

 

In Beantwortung der vom Kreistag beschlossenen Resolution teilte das Ministerium wörtlich mit, dass „(…) nach Einschätzung der Fachleute des Bundesumweltministeriums die in den Reaktordruckbehältern der beiden Anlagen gefundenen Anzeigen eine signifikante Abweichung von der geforderten Fertigungsqualität dar(stellen).“ Zwischen der Bundesumweltministerin und dem belgischen Vizepremierminister sei die sofortige Einrichtung einer deutsch-belgischen Arbeitsgruppe zur nuklearen Sicherheit vereinbart worden. Parallel zu der Arbeitsgruppe soll ein Abkommen ausgehandelt werden, auf dessen Grundlage eine regelmäßig tagende Kommission eine verlässliche Grundlage für offene und kritische Diskussionen zentraler nuklearer Sicherheitsfragen bieten soll. Zugleich gebe es für den Bereich des Katastrophen- und Notfallschutzes im Zusammenhang mit kerntechnischen Anlagen deutsch-belgische Gespräche, an denen auch das Land NRW teilnimmt. Ziel dieser Gespräche sei eine formelle Zusammenarbeit mit den belgischen Behörden auf regionaler Ebene. 

 

Es ist derzeit nicht erkennbar, dass die belgischen Behörden neben den angekündigten Gesprächen weitergehend auf die Forderungen der deutschen Seite eingehen werden. Offensichtlich bleibt die belgische Atomaufsicht bei ihrer Einschätzung, die Kraftwerke seien sicher. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass in Belgien jetzt offiziell die Ausgabe von Jodtabletten an die Bevölkerung in einem Umkreis von 100 km zu den Anlagen vorbereitet wird. Ich habe einen entsprechenden Bericht vom 27.04. zum Anlass genommen, Herrn Innenminister Jäger aufzufordern, die im Eigentum des Landes stehenden und im Kreishaus gelagerten Tabletten ebenfalls freizugeben. Die Städteregion hat sich meinem Wunsch angeschlossen. Aus meiner Sicht macht es wenig Sinn, die Tabletten erst im Störfall auszugeben, da zugleich die Bevölkerung dazu aufgefordert werden soll, möglichst in den Gebäuden zu verbleiben, um sich nicht unnötig radioaktiver Strahlung auszusetzen. Das Innenministerium ist mittlerweile von seiner diesbezüglich sehr zurückhaltenden Sichtweise abgerückt und hat zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen. Sollte dieses noch vor der Kreistagssitzung stattfinden, werde ich hierüber am 12.05. berichten. Unabhängig vom Ausgang des Gesprächs mit dem Innenminister wird Ende des Monats eine Besprechung zwischen den örtlichen Ordnungsbehörden und dem Kreisordnungsamt stattfinden, die das Prozedere einer Verteilung zum Gegenstand haben wird.“