Beschlussvorschlag:
Neben der ideellen Unterstützung der Städteregion Aachen beteiligt sich der
Kreis Heinsberg an den Kosten des Klageverfahrens mit 3.000.- €.
Der Kreistag hat in
seiner Sitzung vom 03.03.2016 beschlossen, die Städteregion Aachen bei ihrem
Klagevorhaben ideell zu unterstützen. Art und Weise der weiteren materiellen
Beteiligung sollte noch geklärt werden. Zwischenzeitlich hat neben diversen
Gesprächen u.a. auch eine der regionalen Abstimmung des weiteren Vorgehens
dienende Informationsveranstaltung in der Städteregion Aachen stattgefunden, an
der ca. 50 interessierte Kreise, Städte und Gemeinden aus Deutschland, den
Niederlanden und Luxemburg teilgenommen haben. Das Ergebnis der ausführlichen
Erörterung, bei der auch deutsche sowie belgische Rechtsanwälte mitgewirkt
haben, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Das anstehende
Klageverfahren, das den Betrieb des Atomkraftwerkes generell zum Gegenstand
haben wird, wird nach belgischem Recht im Wesentlichen aus einer
Interessenabwägung bestehen. Während sich das Betreiberinteresse mit
eindeutigen Zahlen belegen lässt, wird das Risiko für die deutsche
Öffentlichkeit von vielen, nur schwer vorhersehbaren Faktoren bestimmt sein.
Angesichts dieser Unwägbarkeiten raten sowohl die deutschen als auch belgischen
Anwälte dringend dazu, dass sich nur diejenigen Kommunen unmittelbar an der
Klage beteiligen, die aufgrund ihrer geographischen Lage am stärksten von einem
atomaren Unfall betroffen wären. Neben der Städteregion sollten daher jeweils
nur noch eine niederländische und luxemburgische Kommune als weiterer Kläger
auftreten. Unabhängig davon hat das Land NRW in einer Pressemitteilung vom
12.04.2016 erklärt, ebenfalls Klage gegen den Betrieb des AKW in Tihange
einreichen zu wollen. Dieses Verfahren wird allerdings nach derzeitigem
Kenntnisstand nicht über die von der Städteregion beauftragten Kanzleien
laufen, sondern parallel geführt werden.
Zur Vorbereitung der
Klage der Städteregion müssen noch weiter Informationen sowohl technischer als
auch rechtlicher Natur eingeholt werden. So ist etwa – trotz entsprechender
Anfragen bei der belgischen Atomaufsichtsbehörde Federaal Agentschap voor
Nucleaire Controle (FANC) – bislang nicht bekannt, mit welchem konkreten Inhalt
und unter Zugrundelegung welcher Annahmen die Genehmigung zur
Wiederinbetriebnahme des Reaktors erteilt worden ist. Vor diesem Hintergrund
ist ein Informations- und Unterstützungsersuchen an das Europäische Parlament
vorbereitet worden, das öffentlichkeitswirksam dem Präsidenten des EP, Herrn Martin
Schulz, persönlich überreicht werden soll. Die Übergabe wird nach aktuellem
Stand Mitte Mai erfolgen.
Da eine unmittelbare
Klagebeteiligung nicht sinnvoll erscheint, haben sich die Teilnehmer am Erörterungsgespräch in der Städteregion
darauf verständigt, die Städteregion im Rahmen einer möglichst einheitlichen
Systematik – vorbehaltlich einer entsprechenden Beschlussfassung der
zuständigen kommunalen Gremien – finanziell zu unterstützen. Dabei wurde ein
Kostenbeitrag von 3.000,- € je Kreis bzw. kreisfreier Stadt und von 1.000,- €
je interessierter kreisangehöriger Kommune ins Auge gefasst.
In der Sitzung des
Kreisausschusses führt Landrat Pusch Folgendes aus:
„Die finanzielle
Beteiligung ist zwischenzeitlich auch Punkt einer Besprechung der Bürgermeister
gewesen. Diese haben sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass der
Kreis – auch im Namen der kreisangehörigen Kommunen – die Städteregion mit
3.000,- € unterstützt.
Wie bereits in den
Erläuterungen zum Tagesordnungspunkt mitgeteilt, hat sich nunmehr auch das Land
NRW dazu entschlossen, eine Klage gegen den Betrieb des Atomkraftwerkes Tihange
einzureichen. Nähere Einzelheiten hierzu sind uns noch nicht bekannt. Klar ist
allerdings, dass auch für die Klage des Landes dieselben Überlegungen hinsichtlich
der Güterabwägung gelten wie für die Klage der Städteregion. Auch der Bund hat
sich aktuell deutlich stärker gegen die
Atomkraftwerke Tihange und Doel positioniert als noch vor wenigen Wochen. Das
Bundesumweltministerium hat gegenüber den belgischen Behörden nunmehr offiziell
die Bitte geäußert, die Reaktoren abzuschalten.
In Beantwortung der
vom Kreistag beschlossenen Resolution teilte das Ministerium wörtlich mit, dass
„(…) nach Einschätzung der Fachleute des Bundesumweltministeriums die in den
Reaktordruckbehältern der beiden Anlagen gefundenen Anzeigen eine signifikante
Abweichung von der geforderten Fertigungsqualität dar(stellen).“ Zwischen der
Bundesumweltministerin und dem belgischen Vizepremierminister sei die sofortige
Einrichtung einer deutsch-belgischen Arbeitsgruppe zur nuklearen Sicherheit
vereinbart worden. Parallel zu der Arbeitsgruppe soll ein Abkommen ausgehandelt
werden, auf dessen Grundlage eine regelmäßig tagende Kommission eine
verlässliche Grundlage für offene und kritische Diskussionen zentraler
nuklearer Sicherheitsfragen bieten soll. Zugleich gebe es für den Bereich des
Katastrophen- und Notfallschutzes im Zusammenhang mit kerntechnischen Anlagen
deutsch-belgische Gespräche, an denen auch das Land NRW teilnimmt. Ziel dieser
Gespräche sei eine formelle Zusammenarbeit mit den belgischen Behörden auf
regionaler Ebene.
Es ist derzeit nicht
erkennbar, dass die belgischen Behörden neben den angekündigten Gesprächen
weitergehend auf die Forderungen der deutschen Seite eingehen werden.
Offensichtlich bleibt die belgische Atomaufsicht bei ihrer Einschätzung, die
Kraftwerke seien sicher. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass in Belgien
jetzt offiziell die Ausgabe von Jodtabletten an die Bevölkerung in einem
Umkreis von 100 km zu den Anlagen vorbereitet wird. Ich habe einen
entsprechenden Bericht vom 27.04. zum Anlass genommen, Herrn Innenminister
Jäger aufzufordern, die im Eigentum des Landes stehenden und im Kreishaus
gelagerten Tabletten ebenfalls freizugeben. Die Städteregion hat sich meinem
Wunsch angeschlossen. Aus meiner Sicht macht es wenig Sinn, die Tabletten erst
im Störfall auszugeben, da zugleich die Bevölkerung dazu aufgefordert werden
soll, möglichst in den Gebäuden zu verbleiben, um sich nicht unnötig radioaktiver
Strahlung auszusetzen. Das Innenministerium ist mittlerweile von seiner
diesbezüglich sehr zurückhaltenden Sichtweise abgerückt und hat zu einem
gemeinsamen Gespräch eingeladen. Sollte dieses noch vor der Kreistagssitzung
stattfinden, werde ich hierüber am 12.05. berichten. Unabhängig vom Ausgang des
Gesprächs mit dem Innenminister wird Ende des Monats eine Besprechung zwischen
den örtlichen Ordnungsbehörden und dem Kreisordnungsamt stattfinden, die das
Prozedere einer Verteilung zum Gegenstand haben wird.“